14 Büsing, Das Staatsrecht der Großherzogthümer Mecklenburg. 84.
Friede im letzten Augenblicke noch einmal durch den Abschluß der Auseinandersetzungs-Konvention
mit Mecklenburg-Strelitz von 1748 in Frage gestellt war, (s. oben S. 8.) wurde am 18. April
1755 ein Landes-Grund-Gesetzlicher Erb-Vergleich geschlossen 1), in welchem die
Beziehungen beider Landesherrn zu den Ständen unter Anerkennung der unionsmäßigen Einheit der
ständischen Verfassung durchgehends im Sinne des landständischen Prinzipes allseitig geordnet
wurden. Dieser L.G.G.E.V., welcher trotz einer von einzelnen Ständemitgliedern gegen den-
selben eingelegten Appellation am 14. April 1756 die kaiserliche Bestätigung fand, bildet den Schluß-
stein in dem Bau der ständischen Verfassung.
Die Reversalen sowohl wie der L.G.G.E. V. sind Landesgesetze, da sie von den Landesherrn
als den Trägern der gesetzgebenden Gewalt ausgehen, aber darin erschöpft sich ihre Bedeutung
nicht. In erster Linie sind sie Verträge des Landesherrn als des Inhabers des Landesregimen-
tes mit den Grundherrn des Landes als den Inhabern obrigkeitlicher, mit dem Besitze von Grund
und Boden verbundener Rechte, aus denen bei den Reichsgerichten geklagt werden konnte, und
durch dieses ihnen innewohnende Moment der Klagbarkeit erst erhalten sie ihren wesentlichen Cha-
racter. Eben deßhalb wurde der landständischen Verfassung durch die Auflösung des Deutschen
Reichs und den dadurch bewirkten Fortfall der Reichsgerichte die Spitze abgebrochen, und wenig-
stens in Mecklenburg-Schwerin zögerte die souverän gewordene Landesherrschaft nicht, praktische
Folgerungen aus der neu geschaffenen Sachlage zu ziehen. Schon im Jahre 1808 wurden die
Stände mecklenburgischen und wendischen Kreises zu einem Konvokationstage in Rostock
zusammenberufen, und auf demselben, welcher in seiner Beschränkung auf die schwerinschen Stände
bereits die Absicht einer Lösung der Union erkennen ließ, den Ständen nicht viel weniger als
eine vollständige Reorganisation der Landesverfassung im Sinne des modernen Staates ange-
sonnen. Allein wiederum gelang es den Ständen, die landständische Verfassung sowohl, als ihre
unionsmäßige Einheit aufrecht zu erhalten. Beim Widerspruche derselben verzichtete die Landes-
herrschaft auf ihre weitergehenden Pläne, begnügte sich mit einigen finanziellen Zugeständnissen und
ließ sich sogar bereit finden, in Beihalt des Artikels XIII der deutschen Bundesakte dem Mangel
eines in Verfassungs-Streitigkeiten höchstentscheidenden Organes durch Schaffung einer Kompro-
miß = Instanz abzuhelfen, welche nach erfolgter Vereinbarung mit den Ständen durch V. O.
vom 28. November 1817 ins Leben gerufen und in der Bundestagssitzung vom 25. Mai
1818 vom Bunde garantirt wurde. Inhalts dieser Verordnung soll ein schiedsrichterliches Ver-
fahren eintreten für den Fall, daß zwischen der Landesherrschaft und den Landständen, sei es die
gesammte Ritter- und Landschaft oder eine von beiden allein, Streit entsteht über die Landesver-
fassung, Landes-Grund-Gesetze, sonstige öffentliche Verträge, die Auslegung und Anwendung der-
selben, sowie überhaupt über die Ausübung der landesherrlichen Gewalt.
Das Schiedsgericht wird je nach Uebereinkunft der streitenden Theile gebildet entweder durch
ein von denselben gewähltes Gericht, oder durch drei Rechtsgelehrte, von welchen zwei durch zwei
von den Parteien erwählte deutsche Landesfürsten bestellt werden, während der Dritte kooptirt
wird. Ist eine Uebereinkunft der Parteien über eine dieser Bestellungsarten nicht zu erzielen, so
wählt jede Partei einen resp. zwei einheimische oder auswärtige Männer ohne alle Beschränkung
durch Standes= oder Dienstverhältnisse derselben, welche sich durch Wahl eines Obmannes komple-
tiren. Diese Kompromiß-Instanz ist auch gegenüber dem Bundesbeschlusse vom 30. Oktober 1834
bei Bestand geblieben und noch heute in Geltung 2).
Die Bewegung des Jahres 1848, welche auch Mecklenburg in ihre Kreise hinein zog, schien
indeß die neu gekräftigte ständische Verfassung mit einem Schlage vernichten zu sollen 3). Einem
1) P.G.S. III, S. 1—61.
2) Raabe-IV, S. 523 ff. Das Oberlandesgericht zu Rostock ist verpflichtet, die Entschei-
dung zu übernehmen, falls es gewählt wird. (Ausführungs-V.O. zur Civilprozeßordnung vom 21.
Mai 1879, § 29. vgl. Revid. Oberappell. Ger. O. vom 20. Juli 1840, § 1, N. Za.) Für Streitig-
keiten zwischen den Landesherrn und der Stadt Rostock betreffs ihrer besonderen Privilegien wurde
ein besonderes kompromissarisches Verfahren durch eine Vereinbarung vom 17. März 1827 ein-
geführt, welche jedoch durch die 1879 erfolgten Aenderungen in der Gerichts-Organisation in Weg-
fall gekommen und bisher nicht ersetzt ist. vgl. von Amsberg, Erläuterungen zu den Mecklen-
burgischen Verordnungen zur Ausführung der Reichs-Justizgesetze S. 494.
3) Der Beginn der Gährung in Mecklenburg; welche indeß erst allmählig einen politischen
Charakter annahm, datirt bereits aus dem Jahre 1838. Veranlassung gab ein erbitterter Kampf der
bürgerlichen Rittergutsbesitzer gegen die Prätensionen des eingeborenen und rezipirten Adels, welcher
die Landesklöster (s. u. § 15), die Präsentationsfähigkeit für die Landrathsstellen (s. u. § 11) und
die Wahlfähigkeit für den Engeren Ausschuß (s. u. § 12) als ausschließliches Recht in Anspruch
nahmen. (ogl. Landrecht I, S. 200, Note 3.) Zum Folgenden vgl. die Aktenstücke bei Raabe IV,
S. 599 ff. und die bei Landrecht I, S. 201, Note 7 zitirte Literatur, namentlich J. Wiggers,
Verfassungsrecht des Großherzogthums Mecklenburg-Schwerin (1860).