Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

85. Die bestehende Verfassung. 1. Grundlagen. 17 
Berufung auf die Eingangsworte der Verfassung des Norddeutschen Bundes im Jahre 1869 an 
den Reichstag gerichtet und von diesem nach Artikel 76 der Verfassung dem Bundesrathe zur Prü- 
fung überwiesen wurden, von letzterem verworfen worden 7). 
Bei dieser Sachlage kann eine Reform der Landesverfassung nur im Wege einer freien Ver- 
einbarung der Landesherren mit den Landständen erfolgen, während die Erzwingung einer solchen 
Vereinbarung von Reichswegen nur auf Grund einer Aenderung der Reichsverfassung stattfinden 
könnte. Der Versuch, eine Reform der Verfassung mit den Ständen zu vereinbaren, ist von den 
Landesherrn beider Großherzogthümer seither wiederholt gemacht worden, jedoch bisher ohne Er- 
folg, da die dahin gehenden Propositionen, welche den Ständen in den Jahren 1872 und 1874 
unterbreitet wurden, ständischerseits abgelehnt sind 2). Eine Aenderung der Reichsverfassung in dem 
angedeuteten Sinne durch einen Zusatz zu Artikel 3 derselben ist durch Mecklenburgische Abgeordnete 
im Reichstage wiederholt beantragt undkvon demselben angenommen worden, an der Ablehnung des 
Bundesraths indessen gescheitert 3). 
II. Kapitel. 
Die bestehende Verfassung. 
1. Grundlagen. 
§ 5. Allgemeines. Die Basis der landständischen Verfassung bildet das „echte“, 
d. i. das mit grundherrschaftlichen Befugnissen ausgestattete Eigenthum am Grund und 
Boden. Alle staatsrechtlichen Befugnisse stehen im ständischen Staate nicht den einzelnen 
Personen als solchen zu, sondern sind in der Form von publizistischen Realrechten an das 
Grundeigenthum geknüpft, so daß sie mit demselben auf jeden Erwerber als solchen ohne 
Weiteres übergehen. Nahezu alleiniger Träger dieses echten Eigenthums war ursprünglich 
das landesherrliche Haus, da der Grundbesitz desselben (Domanium) in äletester Zeit 
fast das ganze Territorium erschöpfte, welches während der slavischen Zeit nur zum ge- 
1) Beschluß vom 31. Mai 1869: „in Erwägung, daß die in Folge des schiedsgerichtlichen 
Urtheils vom 11. September 1850 wiederhergestellte landständische Verfassung zur Zeit der Ein- 
richtung des Norddeutschen Bundes in anerkannter Wirksamkeit bestand und daher das in dieser 
Verfassung sich gründende Recht als das gültige Verfassungsrecht im Sinne des Eingangs der 
Bundesverfassung angesehen werden muß“. Die aus Veranlassung dieser Petitionen vielfach ver- 
handelten Vorfragen, ob in Mecklenburg eine Verfassungsstreitigkeit zwischen der Landesherrschaft 
und den einzelnen Unterthanen überhaupt denkbar ist, m. a. W. ob die Petenten legitimirt waren, 
als „ein Theil“ im Sinne des Artikel 76 der Verfassung den Bundesrath anzurufen, und weiter, 
ob nicht der Bestand der Kompromiß-Instanz die Zuständigkeit des Bundesraths von vorne herein 
ausschloß, können gegenüber der auf die Sache eingehenden Entscheidung des Bundesrathes uner- 
örtert bleiben. . 
2)DiebeiderseitigenlandesherrlichenPropositionenvon1872,dereanhaltübrigenssachlich 
nicht ganz übereinstimmte, zielten auf eine Fortbildung der ständischen Verfassung durch Schaffung 
eines dritten Standes aus den bäuerlichen Grundbesitzern des zu diesem Zwecke neu zu organisi- 
renden Domaniums. Sie wurden nach erfolgter Ablehnung landesherrlicherseits zurückgezogen. 
Die Reformvorschläge von 1874 verließen diese Basis dagegen prinzipiell und schlugen eine Wahl- 
vertretung für das ganze Land vor. Seit ihrer wiederholten Ablehnung 1875 ruht die An- 
gelegenheit, und es kann nicht verkannt werden, daß der Inhalt der landesherrlichen Vorschläge es 
als zweifelhaft erscheinen läßt, ob auf diesem Wege eine zur Verständigung geeignete Grundlage über- 
haupt zu finden ist. 
3) Der Antrag bezweckte die Aufnahme der Bestimmung: „in jedem Bundesstaate muß eine 
aus Wahlen der Bevölkerung hervorgehende Vertretung bestehen, deren Zustimmung bei jedem 
Landesgesetze und bei Feststellung des Staatshaushaltes erforderlich ist". Ein solcher Antrag war 
schon bei Berathung der Verfassung des Norddeutschen Bundes und bei der Neuredaktion derselben 
als Verfassung für das Deutsche Reich von dem Abg. Wiggers gestellt, jedoch vom Reichstage ab- 
gelehnt, weil die Aufnahme einer solchen Bestimmung das Zustandekommen der ganzen Verfassung 
hätte in Frage stellen können. Der Antrag wurde als Antrag Büsing 1871 und 1873, als Antrag 
Baumgarten 1874 wiederholt und mit großer Majorität angenommen. Der Bundesrath beschloß 
dagegen in seiner Sitzung vom 26. Oktober 1875, dem Gesetzentwurfe seine Zustimmung nicht zu 
ertheilen, sprach jedoch die Erwartung aus, es werde den Großherzoglich Mecklenburgischen Regie- 
rungen gelingen, eine Aenderung der bestehenden Mecklenburgischen Verfassung mit dem Mecklen- 
burgischen Landtage zu vereinbaren. Der Mecklenburgische Bevollmächtigte hat sich in einer der fol- 
genden Bundesrathssitzungen mit dieser Erwartung einverstanden erklärt. 
Handbuch des Oeffentlichen Rechts. III. 2. I. 2
	        
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