86. Die bestehende Verfassung. 1. Grundlagen. 19
Die Dreitheilung des Landes in domanialen, ritterschaftlichen und städtischen,
d. i. zu Stadtrecht liegenden, Grundbesitz (Domanium, Ritterschaft und Land—
schaft) ist, da das platte Land nur aus Domanium und ritterschaftlichen Landgütern
besteht, eine das gesammte Territorium völlig erschöpfende, so daß nach der bestehenden
Verfassung z. B. für ein bäuerliches Eigenthum im Lande kein Raum ist.
§ 6. Das Domanium ½, etwa zwei Fünftel des ganzen Landes umfassend und
durchgehends für den Ackerbau bestimmt, ist in beiden Ländern Eigenthum des landes—
herrlichen Hauses. Es hat den Charakter eines dem splendor familiae dienenden Familien—
Fideikommisses, verstammt nach dem Hamburger Vergleiche von 1701 ebenso wie die
Landesherrschaft innerhalb des gesammten fürstlichen Hauses im Wege agnatischer Indi—
vidual-Succession und liegt in Folge dessen, so lange die Landesherrschaft dem fürstlichen
Hause zusteht, stets in der Hand der jeweiligen Landesherrn. Die dadurch herbeigeführte
enge Beziehung des Domaniums zur Landesherrschaft ist rechtlich insofern von den wich-
tigsten Folgen, als auf ihr die Verpflichtung der Landesherrn beruht, mit den Einkünften
aus dem Domanium außer den Kosten des fürstlichen Haushaltes auch die Kosten der
Landesherrschaft zu bestreiten, eine Verpflichtung, die lediglich eine Folge der Vereinigung
des Domaniums und der Landesherrschaft in einer und derselben Hand ist. Nur eine
vorübergehende Aenderung dieses Zustandes wurde für Mecklenburg-Schwerin durch das
Staatsgrundgesetz vom 10. Oktober 1849 herbeigeführt. Dieses beließ nur den kleineren
Theil des Domaniums in dem bisherigen Verhältnisse und bestimmte ihn ausschließlich
für die Kosten des fürstlichen Haushalts; der bei weitem größere Theil dagegen wurde
zu einem lediglich staatlichen Zwecken dienenden Staatsgute umgeschaffen. Mit der Be-
seitigung des Staatsgrundgesetzes hat diese Scheidung ihre rechtliche Bedeutung wiederum
verloren; thatsächlich ist sie als Administrativ-Maßregel für die Finanzverwaltung bei-
behalten worden, woraus sich für Mecklenburg-Schwerin eine Unterscheidung zwischen den
Domänen iee. S. und den Domänen des Großherzoglichen Haushalts (Haus-
gut i. e. S.) ergiebt?).
Die Vergrößerung des Domaniums durch Neuerwerbungen steht den Landesherren
frei"?); die Veräußerung domanialer Grundstücke ist dagegen durch den § 4 des Ham-
burger Vergleichs von 1701 hausgesetzlich untersagt und unterliegt somit, wenigstens be-
züglich des schon damals vorhandenen Domanialbesitzes"), der Beschränkung durch die
Rechte der Agnaten.
Eine staatsrechtliche Beschränkung der Veräußerlichkeit des Domaniums den Ständen
gegenüber ist dagegen in den Landesgrundgesetzen nirgends anerkannt ?). Völlig freie
Hand haben die Landesherrn bezüglich der s.g. Administrativverkäufe, deren Gegenstand
nicht sowohl das Eigenthum als ein dingliches Nutzungsrecht am Grund und Boden
1) Balck, Domaniale Verhältnisse in Mecklenburg-Schwerin. Schw. St. K. II, S. 3 ff.
Str. H.St. B. II, S. 203 ff.
2) Balck, Finanzverhältnisse I, 88 4, 5, 19, 27, 29, 133—138. Schw. St. K. II, S. 61 ff.
3) Balck, a. a. O. § 24.
4) Hagemeister S. 220.
5) Balck a. a. O. § 26. Hagemeister a. a. O. Landrecht III, S. 46, Note 8. Eine
Veräußerung erheblicher Bestandtheile des Domaniums ohne Zustimmung der Stände würde indeß
doch aus dem Grunde unausführbar sein, weil die Einkünfte des Domaniums verfassungsmäßig
für die Kosten der Landesherrschaft haften, mithin nicht durch einseitige Handlungen der Landes-
herrn vermindert werden dürfen (s. unten S. 51). Diese Erwägung hat denn auch die schweriner
Landesherrschaft veranlaßt, die durch die im Wege des Administrativverkaufs vorgenommene all-
gemeine Vererbpachtung der domanialen Bauernländereien flüssig gewordenen Kapitalien (Erbstands-
gelder, Kaufpreise für Gebäude und Inventarien) in einem Domanial-Kapital-Fonds
zu konserviren, so daß dessen Zinsen an die Stelle der Erträgnisse des vererbpachteten Grundbesitzes
treten (s. u. S. 21 und 57).
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