814. Die bestehende Verfassung. 2. Organisation der Stände. 33
Landmarschällen den Landtags-Kommissarien mit der Erklärung übergeben, daß die Stände
beabsichtigen, hienach die Antwort ad Caput abzugeben. Die Staatsministerien er-
mächtigen demnächst die Kommissarien zur Entgegennahme der ständischen Antwort, sie
sind jedoch auch befugt, die Beschlüsse als ungeeignet zu bezeichnen, um danach die Ant—
wort auf die Landtagspropositionen entgegenzunehmen, wodurch die Stände zu einer er—
neuten Prüfung der Sache veranlaßt werden. Weitere Zwangsmittel haben die Regie—
rungen, da der Landtag seiner Natur nach nicht auflösbar ist, den Ständen gegenüber
nicht. Erfolgt eine Einigung demnächst nicht, so bleibt, falls beide Theile das Zustande-
kommen einer solchen für wünschenswerth halten, der Versuch, außerhalb des Landtags
eine solche durch kommissarisch-deputatische Verhandlungen zwischen landes-
herrlichen Kommissarien und ständischen Deputirten anzubahnen. Der Abschluß des Ueber-
einkommens bleibt in solchen Fällen dem nächsten Landtage oder dem zu solchem Zwecke
bevollmächtigten Engeren Ausschusse vorbehalten.
Der Schluß des Landtages erfolgt nach Erledigung aller Geschäfte. Verfassungs--
mäßig soll die ständische Erklärung ad Caput spätestens am dritten Tage abgegeben werden,
so daß jedesmal eine Befristung über diesen Termin hinaus erbeten und ertheilt wird.
Die Schließung erfolgt in der Art, daß die Landmarschälle zu den Landtags-Kom-
missarien entboten werden, welche ihnen unter ergebenster Empfehlung an die versammelte
Ritter= und Landschaft die landesherrlichen Landtags-Abschiede, Schriftstücke, in
denen die ständischen Beschlüsse rekapitulirt sind, mit der Erklärung einhändigen, daß der
Landtag beendigt sei. Mit der Verlesung der Abschiede in der Landtagsversammlung er-
reicht der Landtag sein formelles Ende.
Diäten beziehen die Mitglieder der Ritterschaft während der Dauer des Land-
tags nicht. Nach uraltem Herkommen erhalten jedoch die Landräthe und die Landmarschälle
während des Landtags aus den landesherrlichen Kassen täglich 4 Rthlr. meckl. Valeur 7).
Die Deputirten der Landschaft erhalten Reisekosten und Diäten aus einer besonderen
städtischen Steuer-Erhöhungs-Kasse (s. u. S. 53)).
Strafrechtlich privilegirt sind die Stände während der Dauer der Landtage
nicht ). Dagegen ruhen während der Dauer der Landtage gegen die Mitglieder der
Ritterschaft die Zwangsvollstreckungen wegen öffentlicher Abgaben .
§ 14. f. Sonstige Zusammenkünfte der Stände. Landesherrlich berufene Stände-Ver-
sammlungen sind außer den Landtagen die Konvokations= und Deputations-
tages?). Erstere sind Versammlungen der sämmtlichen Mitglieder der Stände eines oder
einzelner Kreise; letztere Versammlungen, zu welchen außer den Landräthen und Landmar-
schällen nur Deputirte der Ritter= und Landschaft erscheinen. Ihre Berufung steht jedem
der Landesherrn rücksichtlich der unter seiner Landeshoheit stehenden Stände zu. Den
Gegenstand der Verhandlung können alle Angelegenheiten bilden, welche nicht verfassungs-
mäßig allgemeinen Landtagen vorbehalten sind"). Die Berufung von Konvokations= und
Deputations-Tagen ist übrigens nicht üblich.
Auf Grund eines verfassungsmäßig den Ständen zustehenden freien Versammlungs-
rechtes haben die Stände das Recht, auch ohne landesherrliche Berufung auf ständischen
1) Resolut. ad grav. de 1701, vgl. Balck, Finanzverhältnisse II. 8 286.
2) Balck a. a. O. II. § 159.
3) v. Amsberg, S. 283 (ogl. § 6 No. 1 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsver-
fassungsgesetz.)
4) V.O. betr. die Zwangsvollstreckungsordnung für die Landesrezeptur-Kasse vom 5. Juli 1881.
Desgl. für den Landkasten von demselben Datum.
5) Hagemeister § 68, welcher jedoch irrigerweise Konvokationstage und Deputations-=
tage identifizirt, vgl. Landrecht I. S. 193. Note 39.
6) L. G.G. E.V. § 164.
Handbuch des Oeffentlichen Rechts. III. 2. 1. 3