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Allerdings aber steht ihnen nur die Lokal-Obrigkeit zu; sie sind daher einem lan—
desherrlichen Oberaufsichtsrechte unterworfen und ihre Verfügungen und Handlungen unter-
liegen der Aufhebung im regelmäßigen Instanzenzuge. Da die Gutsherrn als Obrigkeiten
in eigenem Namen handeln, so werden durch ihre Handlungen auch sie allein verpflichtet.
Die Landesherrschaft haftet für solche Handlungen nur, sofern ihr Mängel in der Ober-
aufsicht zur Last fallen; ja schon das erscheint als etwas Anormales, daß solche Hand-
lungen, wie es der Fall ist, insofern als Handlungen der Obrigkeit in abstracto gelten,
als sie für die Singular-Successoren im Besitze des Gutes verbindlich sind, und daß
mithin wenigstens insofern der Obrigkeit eine von der Person des Inhabers unabhängige
Existenz beigelegt wird ). Daß die Inhaber der ständischen Obrigkeit dieser selbst nicht
unterliegen können?), folgt aus der Natur der Obrigkeit als eines Rechtes von selbst;
ebenso müssen alle Gesetzesvorschriften auf die ständischen Obrigkeiten ohne Anwendung
bleiben, welche für Beamte besondere wissenschaftliche oder persönliche ?) Qualificationen
fordern, oder welche, zum Schutze der obrigkeitlichen Organe bestimmt, gerade die beamt-
liche Eigenschaft derselben wesentlich voraussetzen"). Ebenso werden die gegen ständische
Obrigkeiten im Falle eines Verstoßes gegen ihre obrigkeitlichen Pflichten zulässigen Zwangs-
mittel wesentlich durch den Charakter der Obrigkeit als eines privaten Rechtes bestimmt,
indem die Landesherrschaft gegen die Obrigkeiten in solchen Fällen nicht im Verwaltungs-
wege, sondern nur im Rechtswege vorgehen kann. Klagen des Landesherrn gegen Obrigkeiten
auf Erfüllung ihrer obrigkeitlichen Verpflichtungen (s.g. fiskalische Klagen) wer-
den im Wege des Civil-Prozesses nach Maßgabe der Bestimmungen der Civilprozeßord-
nung verhandelt und entschieden?), die wegen Zuwiderhandlungen der Obrigkeiten
gegen ihre obrigkeitlichen Verpflichtungen zufolge gesetzlicher Bestimmung oder
observanzmäßig eintretenden Disziplinarstrafen dagegen werden auf Grund eines nach den
Bestimmungen der Strafprozeßordnung sich regeluden Strafverfahrens erkannt?).
Das Bestehen eines landesherrlichen Oberaufsichtsrechtes wird durch den privat-
rechtlichen Charakter des obrigkeitlichen Rechtes nicht ausgeschlossen. Wohl aber findet
dieses Oberaufsichtsrecht an dem materiellen Inhalte der obrigkeitlichen Rechte überall
seine Grenze, welche nur durch Gesetz unter Zustimmung der Stände verändert werden
kann. Das eigenthümliche Verhältniß zwischen der Landesherrschaft und den ständischen
Obrigkeiten ist demnach von bestimmendem Einflusse auch auf die Ausbildung der Grenzen
1) Landrect III. S. 35 ff., vgl. Budde und Schmidt, Entscheidungen des O.A.G.
Rostock VII. N. 6
2) S. knfens S. 49 und 50.
3) So ist z. B die Ausübung der obrigkeitlichen Rechte durch den Besitz der bürgerlichen
Ehrenrechte nicht bedingt, da § 34 Nro. 3 des Strafgesetzbuches auf ständische Obrigkeiten keine
Anwendung findet. Ob das Gleiche von der Ausübung der Landstandschaft zu gelten habe, kann
zweifelhaft erscheinen, doch dürfte sich der § 34 Nro. 4 St. G. B. (v. v. „in öffentlichen Angelegen-
heiten zu stimmen") auf die Landstandschaft in der That beziehen lassen.
4) z. B. die Vorentscheidung aus § 11 des Gerichtsverfafsungsgesetes, ogl. Meckl. Ausf. V.O.
zu § 11 cit vom 5. Mai 1879 und v. Amsberg S. 2
5) Ausführungs-V.O. zur R.C. P.O. vom 23. n 196 § 30, vgl. v. Amsberg S. 515
mit S. 29. 30.
6) Ausführungs- V.O. zur R. St. P.O. vom 28. Mai 1879 § 86, vgl. von Amsberg S. 358
und S. 354 ff. mit S. 29 30., wo sich die Nachweisungen über das bis zum 1. Oktober 1879
geltende Recht fünden. Zu beachten ist übrigens, daß die Städte ihre Obrigkeit nur durch Organe
ausüben können, welche im Verhältnisse zu der Stadt Beamte allerdings sind. Insofern
die Nichterfüllung bez. Verletzung obrigkeitlicher Pflichten auf ein pflichtwidriges Verhalten städtischer
Beamten zurückzuführen ist, findet gegen diese seitens der vorgesetzten Behörde im Verwaltungswege
disziplinare Ahndung statt Auch genießen diese Beamten den Schutz des § 11 G.V.G., vgl. von
Amsberg S. 201. II. Ebenso sind die von den Trägern der Obrigkeit (Gutsbesitzern , Landes-
klöstern, Magistraten) zur Ausübung obrigkeitlicher Rechte angestellten Personen gleichfalls Beamte.
Daß sie als öferntiche Beamte im Sinne des § 11 G.V. G. anzusehen sind, bestimmt die Meckl.
Ausf. V. O. (s. S. 61 Note 5) §5 6 ausdrücklich.