8 22. Das Landesregiment. II. Die Landespolizeigewalt. 49
vormundschaft, die Versiegelung und Entsiegelung von Nachlässen, die Regulirung von
Erbschaften, sowie die Ausstellung von Erbenzeugnissen, soweit es sich um Erbschaften
und Kuratelen handelt, welche den Betrag von 1500 M. nicht übersteigen.
Lasten sind bei dieser Sachlage gegenwärtig mit der Ausübung der Patrimonial=
gerichtsbarkeit der Gutsbesitzer nicht mehr verbunden, während früher die den Gutsherrn
betreffenden Kosten der Patrimonialgerichte nicht unerhebliche waren. Während sie dem-
zufolge früher ebensosehr als Onus wie als Recht erschien, überwiegt h. z. T. ihr Charakter
als bloßes Recht so entschieden, daß die Gesetzgebung keinen Anstand genommen hat, einen
Verzicht auf die Patrimonialgerichtsbarkeit zuzulassen, in welchem Falle die Funktionen
derselben auf das im Uebrigen zuständige Amtsgericht übergehen.
Den Landesklöstern endlich ist die freiwillige Gerichtsbarkeit mit der Maßgabe verblieben,
daß sie verpflichtet sind, dieselbe durch zum Richteramte qualifizirte Personen ausüben zu lassen.
Diehöbere Gerichtsbarkeitianlangend, so ist die ständische Konkurrenz mit dem Wegfalle der
bisherigen Präsentationsrechte von selbst beseitigt und nur den Magistraten der Seestädte Rostock
und Wismar ist von ihrer höheren Gerichtsbarkeit ein, wenn auch minimaler, Theil verblieben,
insofern in einigen wenigen Fällen die Magistrate als Beschwerde-Instanzen fungiren.
Daß die Inhaber der Patrimonialgerichtsbarkeit dieser selbst nicht unterliegen
können, ist bereits oben bemerkt. Während sich hieraus jedoch früher eine vollständige
Exemtion von der Niedergerichtsbarkeit ergab, beschränken sich die Folgen dieses Umstandes
gegenwärtig darauf, daß die Funktionen der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Betreff der
Eigenthümer und Eigenthümerinnen ritterschaftlicher Landgüter, sowie ihrer Ehegatten und
minderjährigen Kinder, von den höheren Gerichten, nemlich von den damit betrauten
Landgerichten, wahrgenommen werden.
§ 22. II. Die Landespolizeigewalt 1). Die landesherrliche Landespolizeige-
walt, in dem weitesten Sinne des Wortes, in welchem sie die gesammte innere Staats-
verwaltung mitumfaßt, wird in Mecklenburg-Schwerin, soweit sie nicht aus praktischen
Gründen in einzelnen Beziehungen einem andern Ministerium zugewiesen ist, vom Mini-
sterinm des Innern, in Mecklenburg-Strelitz durch die Landesregierung geübt. Eine
ständische Konkurrenz bei Ausübung derselben findet in der Art statt, daß die Stände in
einer Reihe der diesem Ressort unterstehenden Behörden und Institute durch Deputirte
vertreten sind?).
Die Ausübung der lokal-obrigkeitlichen Funktionen dagegen, ein-
schließlich der Lokal-Polizei, stehen im Domanium den Landesherren als Domanial-
Eigenthümern, in den übrigen Landestheilen den Städten und ritterschaftlichen Grund-
herren als patrimonialen Ortsobrigkeiten ohne Rücksicht auf die Landstandschaft zu. Sie
werden im Domanium durch die Domanial-Aemter, in den Städten durch die Stadt-
magistrate, bez. in Mecklenburg-Strelitz durch die Polizei-Kollegien (s. oben S. 24 Note 2),
in den Klöstern durch die Klosterämter und in den ritterschaftlichen Gütern von den Guts-
eigenthümern selbst geübt. Letztere mußten sich indeß in den wichtigeren obrigkeitlichen
Geschäften durch die Patrimonialgerichte und die Justitiare vertreten lassen und bedienten
sich dieser Vertretung thatsächlich in den meisten Fällen auch da, wo es sich um solche
Funktionen handelte, welche, wie die Polizeistrafgewal,t, ihrer persönlichen Aus-
übung vorbehalten waren.
1) Ausf.V.O. zur Strafprozeßordnung vom 28. Mai 1879. V.O. betr. die Errichtung von
ritterschaftlichen Polizeiämtern vom 2. April 1879, vgl. von Amsberg S. 49. 291 ff.
2) So in der dirigirenden Kommission des Landarbeitshauses (V.O. vom 26. April 1864),
in den Wegebesichtigungsbehörden (V.O. vom 3. Februar 1829), in der Kommission für die Ent-
wässerung der Ländereien (V.O. vom 31. Juli 1846), in den Tax-Kommissionen für Expropriationen
(Gesetz vom 3. Januar 1837), in der Kommission zur Beschaffung der Landlieferungen im Kriege
(V. O. vom 28. Juli 1869) und endlich in der zum Justizministerium ressortirenden Fideikommiß-
behörde (V. O. vom 16. Juni 1842).
Handbuch des Oeffentlichen Rechts. JII. 2. 1. 4