§ 23. Das Landesregiment. III. Finanzwesen. 51
Agnaten des Hauses — ursprünglich zur gesammten Hand, seit dem Hamburger Vergleiche
von 1701 aber durch Individual-Succession — verstammten, während das Chatullgut der
gemeinrechtlichen Erbfolge und der Testirfreiheit unterlag, so daß an ihm auch die Ko-
gnaten des Erblassers theilnahmen. Dieser Trennung des landesherrlichen Vermögens
brauchte eine entsprechende Scheidung der landesherrlichen Schulden an sich nicht noth-
wendig zu entsprechen; indeß bildete sich eine solche doch allmählig aus. Während nach
wie vor der Grundsatz unwandelbar bei Bestand blieb, daß der Landesherr, so lange er
lebte, persönlicher Schuldner aller von ihm eingegangenen Verbindlichkeiten ohne Ausnahme
blieb, ließ man bei seinem Tode diejenigen Schulden, welche aus Veranlassung und für
die Zwecke des Landesregimentes kontrahirt waren, mit dem Domanium, welches seiner
fideikommissarischen Bestimmung nach gerade dem Glanze, d. h. der Herrschaft des landes-
herrlichen Hauses, zu dienen bestimmt war, ausschließlich auf den Nachfolger in dem Lan-
desregimente übergehen, während das Chatullgut insoweit von der Haftung für die landes-
herrlichen Schulden frei wurde !). Nachdem so zunächst die für die Zwecke des Landes-
regimentes kontrahirten Schulden in eine spezielle Beziehung zu der Substanz des
Domaniums getreten waren, bildete sich ein ähnliches Verhältniß zwischen den für
das Landesregiment erforderlichen laufenden Ausgaben und den Einkünften des
Domaniums. Den Ausgangspunkt dieser Entwicklung bildeten die Schuldentilgungs-
Verhandlungen mit den Ständen:). Die Uebernahme und Tilgung landesherrlicher
Schulden durch die Stände war seit dem 16. Jahrhundert zu einem regelmäßigen Faktor
der Finanzwirthschaft geworden, da die Stände, obwohl zu solchen Leistungen nicht ver-
pflichtet, doch regelmäßig dazu bereit waren, so lange sie in der Erwirkung landesherr-
licher Privilegien und Freiheiten ein ausreichendes Aequivalent fanden. Indeß erfolgten
solche Schuldentilgungen nur, wenn es sich um Schulden handelte, welche für das Landes-
regiment ausgenommen und somit indirekt dem Lande zu gute gekommen waren, und unter
der weiteren Voraussetzung, daß die Einnahmen aus der Herrschaft und dem Domanium,
nachdem zuvor aus beiden die laufenden Regiments-Ausgaben bestritten waren, zur Til-
gung der Schulden unausreichlich erschienen. Der Landesherr wurde mithin für ver-
Ppflichtet gehalten, nicht bloß die Herrschafts-, sondern auch die Domanial-Einnahmen, so
lange Bedürfnisse des Landesregimentes vorhanden waren, zunächst für diese, einschließlich
der Kosten des fürstlichen Haushaltes, welche als Theil des Landesregimentes selbst er-
schienen, zu verwenden, so daß nur der etwa sich ergebende Ueberschuß seiner freien Dis-
position verblieb. Diese Verpflichtung des Landesherrn ergiebt sich bezüglich der Herr-
schaft aus dem Begriffe derselben selbst; sie ruht auf derselben als dauerndes Onus und
folgt derselben in jede neue Hand; bezüglich des Domaniums ist sie dagegen beschränkt.
Sie erstreckt sich nur auf die Erträgnisse des Domaniums, so daß das Eigenthum des
fürstlichen Hauses an der Substanz des Domaniums in keiner Weise davon berührt wird.
Vielmehr unterliegt das Domanium einer vollständig selbstständigen Verwaltung, und nur
die Netto-Erträge desselben kommen dem Regimente zu gute #).
Ein Besteuerungsrecht stand dem Landesherrn ursprünglich nicht zu. Zwar
hatte er völlig freie Hand, im Domanium Abgaben in beliebiger Höhe zu erheben; allein
diese Befugniß folgte aus seiner Stellung als Domanial-Grundeigenthümer. Als Landes-
herr den Ständen gegenüber, welche mit ihrem Grund und Boden zugleich ihre Hinter-
sassen vertraten, war er auf die Forderung gewisser, dem Betrage nach feststehender Ab-
gaben (Beden) beschränkt, welche von den Ständen im Wege der Kontingentirung nach
dem Terzsysteme (s. oben S. 18) aufgebracht, seit dem Assekurations-Reverse von 1555
1) Fiscus S. 1—22.
2) Das. S. 23—48.
3) Fiscus S. 19 f. Landrecht III. S. 21, 41 Note 3, 46 Note 10.
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