8 23. Das Landesregiment. III. Finanzwesen. 55
erwies, für die gewaltigen, durch die andauernden Kriege nothwendig gewordenen Geld-
bedürfnisse genügende Deckung zu schaffen. Vielmehr mußte man, um der dadurch ge-
schaffenen Nothlage zu entgehen, den Kredit des Landes in einer bisher nicht vorgekom-
menen Weise verwerthen, indem man auf den Kredit des Landes fundirte Bons ausgab,
für deren demnächstige Einlösung eine eigene Landes-Kredit-Kommission (1807)
ins Leben gerufen wurde.
Bei dieser Sachlage war es begreiflich, daß die schweriner Landesherrschaft die Ge-
legenheit benutzte, welche die neuerworbene Souveränität ihr bot, um, gestützt auf das in
der Rheinbunds-Akte statuirte droit d'impôt, eine Reorganisation des gesammten Finanz-
wesens im Sinne eines modernen Besteuerungs-Systemes herbeizuführen. Dabei be-
schränkte sie sich auf die Zuziehung der Stände ihres Landes, da die strelitzer Landes-
herrschaft sich zurückhielt, und Mecklenburg-Schwerin ohnehin damals der Lösung des
bestehenden Unionsverhältnisses nicht abgeneigt war. Seither hat sich das Finanzwesen
in beiden Ländern selbstständig, wenn auch durchweg übereinstimmend entwickelt. In
Mecklenburg-Schwerin wurden im Jahre 1808 die Stände mecklenburgischen und
wendischen Kreises zu einem Konvokationstage in Rostock zusammenberufen ½),
und es erfolgte auf demselben, wenn auch nach anfänglicher Weigerung der Stände, ohne
Zuziehung des stargardischen Kreises zu verhandeln, eine Einigung, welche allerdings nur
zum Theil den landesherrlichen Erwartungen entsprach. An Stelle einer durchgreifenden
einheitlichen Reorganisation des alten Finanzsystemes trat eine komplizirte Vermischung
desselben mit modernen Elementen. Die finanziellen Ergebnisse des Konvokationstages
von 1808 sind besonders nach zwei Richtungen hin wichtig. Zunächst wurde die ordent-
liche Kontribution des L.G.G. E. V. dauernd verdoppelt, indem die Ritterschaft
gegen Erlaß der Lehndienste die bisherige Steuerfreiheit der Hofhufen aufgab, (s. oben
S. 21, 22), während in den Städten die Steuerfreiheit der Eximirten wegfiel und die
Städte auf gewisse, ihnen gezahlte s. g. Bauhülfsgelder, Rostock aber auf seinen Antheil
an der landesherrlichen Accife verzichteten?). Weiter aber wurde eine allgemeine Schulden-
tilgung beschlossen, welche die Schulden des Landesherrn mit Ausnahme der Reluitions=
kassen-Schulden und gewisser unablöslicher Rentereischulden, ferner die Schulden der Lan-
des-Kredit-Kommisson, des Landkastens und der Seestädte umfassen sollte. Für die Zwecke
dieser Schuldentilgung wurde, außer einigen indirekten Steuern, eine außerordentliche
Kontribution auf den Zeitraum von 30 Jahren bewilligt, innerhalb dessen die Schul-
dentilgung beschafft sein sollte. Diese außerordentliche Kontribution, welche nach einem
feststehenden Edikte auf dem platten Lande als Hufen= und Personalsteuer, in den Städten
als Grund= und Konsumtionssteuer, und daneben im ganzen Lande als Einkommensteuer
erhoben werden sollte, wurde fundirt auf die zum ersten Male bei dieser Gelegenheit an-
erkannte „unbezweifelte Personal= und Real-Steuerpflicht aller Unterthanen.“ Sie war
demnach eine wahre Steuer, die mit der ordentlichen Kontribution nur den Namen gemein
hatte, während sie sich von den außerordentlichen Nezessarien namentlich durch die Un-
anwendlichkeit des Terzsystemes unterschied. Für die Verwaltung dieser außerordentlichen
Kontribution wurde eine neue Kasse, die Landes-Rezeptur-Kasse, gegründet,
welche unter die Verwaltung einer landesherrlich-ständischen Landes-Rezeptur-
Direktion gestellt wurde. Der Geschäftskreis dieser Landes-Rezeptur-Kasse aber wurde
in höchst eigenthümlicher Weise bestimmt. Ihre Thätigkeit sollte sich nemlich lediglich auf
die Sammlung der außerordentlichen Kontribution und die Vertheilung derselben an die Kassen
der an der Schuldentilgung theilnehmenden Schuldner beschränken, die Schuldentilgung aber
1) Fiscus S. 101 f., vgl. die Aktenstücke bei Raabe IV. S. 454 ff.
2) Balck II. § 167 ff., vgl. Fiscus S. 114 ff.