56 Büsing, Das Staatsrecht der Großherzogthümer Mecklenburg. 8 23.
durch diese letzteren selbst vorgenommen werden. Indeß wurde auch dies Verfahren nicht konse—
quent durchgeführt. Die Stände trugen Bedenken, der Renterei die Tilgung der landesherrlichen
Schulden ohne ständische Konkurrenz anzuvertrauen, und während im Uebrigen die außerordent-
liche Kontribution an die Landes-Kredit-Kommission, den Landkasten und die Seestädte
floß, wurde die Tilgung der Rentereischulden einer eigens für diesen Zweck neu gegrün-
deten, durch eine landesherrlich-ständische Kommission verwalteten Schuldentilgungs-
Kasse überwiesen. Damit war neben die Renterei und den Landkasten eine dritte finan-
zielle Centralstelle getreten, welche in zwei Kassen, die einnehmende Landes-Rezeptur= und
die ausgebende Schuldentilgungs-Kasse gespalten, von Einigen für eine landesherrlich-stän-
dische Sozietäts-Kasse angesehen, von Anderen aber mit gutem Grunde als das Funda-
ment eines mit selbstständiger Persönlichkeit ausgerüsteten und unter landesherrlich-stän-
discher Verwaltung stehenden Staatsfiskus angesehen wird, welcher sich in die
ständische Finanzverfassung als einzelnes und fremdes Glied hineingeschoben hat. Für
letztere Ansicht spricht insbesondere der Umstand, daß die Landes-Kredit-Kommission, der
Landkasten und die Schuldentilgungs-Kasse eine Hypothek an der Landes-Rezeptur-Kasse
erhielten 7.
Die Beschränkung der Reform von 1808 auf die augenblicklich nothwendigsten Be-
dürfnisse rächte sich schon nach wenigen Jahren. Die nach der Auflösung des Deutschen
Reiches erforderliche Einrichtung eines Oberappellationsgerichtes, sowie die sich daran an-
schließende Reorganisation der höheren Landesgerichte (Justizkanzleien) und die Einrichtung
eines Kriminalkollegiums, sowie die Schaffung eines Landarbeitshauses erforderten Ausgaben,
die an sich dem Landesregimente zufallen mußten, und deren Aufbringung im Systeme
des L.G.G.E.V. nicht vorgesehen war. So mußte wieder ad hoe ein Ausweg gefunden
werden?). Man einigte sich (1818) dahin, daß diese Kosten von allen Obrigkeiten des
Landes gemeinsam getragen werden sollten, in der Art, daß der Landesherr seinen An-
theil direkt an die einzelnen Institute zahlte, während die Stände den ihrigen als Juris=
diktions-Anlagen zunächst im Landkasten sammelten, von wo aus er seiner Bestim-
mung zugeführt wurde. Juristisch lassen sich diese Vereinigungen der Obrigkeiten nur als
Sozietäten auffassen, deren Aufbringungen sich von den außerordentlichen Nezessarien
namentlich dadurch unterscheiden, daß sie Angelegenheiten betreffen, welche an sich inner-
halb des Landesregiments liegen.
Nach der ursprünglichen Absicht sollten Landes-Rezeptur-Kasse und Schuldentilgungs-
Kasse nach der Beendigung der ihnen zugewiesenen Aufgaben wieder eingehen. Allein die
Bedürfnisse des öffentlichen Lebens waren zu sehr gestiegen, als daß eine Zurückschrau-
bung des Finanzwesens auf den Standpunkt des L.G.G.E.V. möglich gewesen wäre.
Außer den ursprünglich zu tilgenden Schulden waren im Laufe der Zeit wiederholt neue
Schulden kontrahirt, welche auf die Landes-Rezeptur-Kasse fundirt und der Verwaltung
der Schuldentilgungs-Kasse unterstellt wurden; so insbesondere (1843) eine Anleihe bei
dem Bankhause Salomon Heine in Hamburg zum Zwecke der Förderung des Baues der
Berlin-Hamburger Eisenbahn durch Uebernahme von Aktien, und sehr erhebliche Anleihen
zu Chaussee= und Wasser-Bauzwecken. Ueberhaupt war die Landes-Rezeptur-Kasse eine
Handhabe für Beschaffung solcher Staatsbedürfnisse geworden, welche durch die zwischen
Fürst und Ständen bestehenden Verträge über die Aufbringung des ordentlichen Staats-
bedarfs und über die dazu zu leistenden ordentlichen Steuerhülfen nicht vorgesehen waren.
Als daher die ursprünglichen Schulden, deren Tilgung sich aus verschiedenen Grün-
den verzögert hatte, im Jahre 1846 wesentlich beseitigt waren, erfolgte eine Einigung
zwischen Landesherrschaft und Ständen, inhalts deren außerordentliche Kontribution, Lan-
1) So nam. Fiscus S. 111. Landrecht III. S. 28.
2) Fiscus S. 130. Landrecht III. S. 30. Balck II. § 166.