8 24. Das Landesregiment. IV. Aemterwesen. 63
Das Recht, innerhalb des Kreises ständischer Befugnisse ständische Beamte
anzustellen, steht sowohl den Ständen als Korporation als den einzelnen ständischen
Obrigkeiten zu , welche dabei prinzipiell nur durch ein landesherrliches Oberaufsichtsrecht
beschränkt sind. Indeß sind für einzelne Klassen ständischer Beamten die Modalitäten
der Anstellung im gesetzlichen Wege geregelt?). Ob und in wie weit die ständischen An-
gestellten zu den Staatsbeamten zu rechnen sind, ist eine wiederholt aufgeworfene Frage,
welche ausdrückliche Beantwortung nur in einzelnen bestimmten Beziehungen durch gesetz-
liche Bestimmung gefunden hat. Bejaht ist sie bezüglich der Unwiderruflichkeit der An-
stellungen, soweit nicht die Kündbarkeit speziell vereinbart ist oder nach gesetzlicher Regel
eintritt ). Ebenso gelten die ständischen Beamten als öffentliche Beamte im Sinne des
§ 11 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassuugs-Gesetze, so daß die nach der Aus-
führungs-Verordnung zum § 11 cit. vom 5. Mai 1879 erforderliche Vorentscheidung auch
auf sie Anwendung findet"!). Endlich werden sie auch in Bezug auf den Erwerb der
Staatsangehörigkeit durch Anstellung (Bundesgesetz über die Erwerbung und den Verlust
der Bundes= und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 § 9) als im mittelbaren Staats-
dienste stehend von der Mecklenburgischen Ausführungs-Verordnung zu diesem Reichsgesetze
vom 28. Dezember 1872 § 4 ausdrücklich anerkannt. Die Gleichstellung der ständischen
Beamten mit den in landesherrlichen Diensten stehenden, in staatsrechtlicher Beziehung,
kann sich jedoch der Natur der Sache nach nur auf diejenigen Beamten erstrecken, deren
Thätigkeit sich auf die den Ständen als Korporationen oder einzelnen Obrigkeiten als
solchen zustehenden Befugnisse bezieht, nicht dagegen auf diejenigen, welche lediglich für
private Zwecke der ständischen Korporationen oder obrigkeitlichen Personen bestellt sind).
Während das Verhältniß der letzteren Angestellten zu dem Ansteller ein lediglich privat-
rechtliches ist, wird bezüglich der für öffentliche Zwecke von Gutsbesitzern angestellten
Personen geradezu präsumirt, daß die Anstellung von der Obrigkeit als solcher erfolgt ist,
und daß demnach die aus ihr entspringenden Rechte und Pflichten ohne weiteres auch auf
jeden Singular-Successor im Besitze des Gutes übergehen.
Insofern die ständischen Angestellten hiernach als öffentliche Beamte anzusehen sind,
wird auch das Erforderniß der Zugehörigkeit zur evangelisch-lutherischen Landeskirche, so-
weit ein solches für ständische Angestellte früher bestand ), als durch das Reichsgesetz vom
3. Juli 1869 beseitigt angesehen werden müssen.
1) Dieses der speziellen Begründung kaum bedürftige Recht wird auf eine besondere Freiheit
der Ritter= und Landschaft, in Ansehung der in ihren privativen Domestseis zu machenden Dispo-
sitionen zurückgeführt. Vgl. Wolff, Repertorium der meckl. Landesangelegenheiten S. 99. Hage-
meister S. 112. 118.
2) Ueber die Anstellung der früheren Patrimonalrichter s. Patrimonalgerichtsordnung vom
21. Juli 1821 § 12; über die ritterschaftlichen Polizeirichter s. V. O. vom 2. April 1879 § 12; über
die ritterschaftlichen Lehrer s. V. O. vom 3. April 1879 § 2. Die Verhältnisse der städtischen An-
gestellten werden durch die einzelnen Stadtregulative festgesetzt. Das Recht vorläufiger Entlassung
ständischer Kassenbeamten wegen Unterschleifs ist in Mecklenburg-Schwerin durch besondere Bestimmung
dem Staatsministerium übertragen. Vgl. V. O. vom 31. Januar 1817 (Raabe II. S. 520). Vgl.
V.O. vom 31. März 1813 (Raabe II. S. 518) und vom 5. Juni 1784, (P. G. S. I. S. 254); s.
auch Publ. vom 6. Juni 1855.
3) Kaiserliches Conclusum vom 30. Oktober 1732, vgl. v. Nettelbladt a. a. O. IV.
rn 123 f., 142 f., 160. Vgl. die in Note 3 citirten V.O. betr. ritterschaftliche Polizeirichter und
Lehrer.
4) v. Amsberg S. 205 ff.
5) Vgl. v. Nettelbladt a. a. O. IV. S. 162 ff., wo als solche nur Privatzwecken dienende
Angestellte namentlich die ritterschaftlichen Amts-Einnehmer und die Beamten des ritterschaftlichen
Kredit-Vereines bezeichnet werden.
6) Vgl. die Verhandlungen auf dem Landtage 1852, (Zöpfl, Grundsätze des gem. D.
Staatsrechts 5. Aufl. II. S. 852 Note 3), insbes. den Landtagsbeschluß vom 11. Dezember, nach
welchem die Landräthe, Deputirte zum Engeren Ausschusse, Syndici u. A. m. der lutherischen Kirche
angehören sollten.