8 25. 26. Das Landesregiment. V. Die Kirchengewalt. — Das Fürstenthum Ratzeburg. 69
nur noch bei Ausübung der Kirchenzucht thätig werden können; indeß ist die Kirchen-
zucht schon so lange außer Uebung, daß, „wenn sie durch Gewohnheit abgeschafft werden
kann, die Thatsache ihrer Abschaffung unzweifelhaft wäre“ ). Die Konsistorien sind
mit theologischen und juristischen Mitgliedern besetzt, welche selbstverständlich sämmtlich der
evangelisch--lutherischen Kirche angehören müssen?). Das Verfahren wird durch die Kon-
sistorialordnung von 1570 und die Interimsordnung vom 2. April 1755 normirt, ist aber
in einzelnen Beziehungen dem geltenden ordentlichen Strafprozesse angepaßt )).
Gegen alle in erster Instanz von den Konsistorien erlassenen Endurtheile findet die
Berufung, gegen alle anderen Entscheidungen die Beschwerde statt. Die Rechtsmittel
führen an das für beide Großherzogthümer gemeinsam errichtete obere Kirchengericht
zu Rostock“), welches, ebenfalls aus Juristen und Theologen, welche der Landeskirche
angehören müssen, bestehend, in der Besetzung von sieben Richtern entscheidet. Die zu
erkennenden Strafen sind die gemeinrechtlichen Disziplinarstrafen, mit Ausnahme der nicht
üblichen Freiheitsstrafen.
Außerdem aber kann wegen dogmatischer Irrthümer die Entsetzung aus dem Amte
erfolgen, doch ist diese keine Disziplinarstrafe, sondern Folge der durch die Irrthümer
begründeten Unfähigkeit zur Bekleidung des geistlichen Amtes.
Auf die Geistlichen der Seestädte erstreckt sich die Kompetenz des Konsistoriums zu
Rostock nicht; diese stehen vielmehr direkt unter der schweriner Landesherrschaft in erster
und letzter Instanz ).
Fechster Abschnitt.
Bas Fürstenthum Ratzeburg.
§ 26. Das von Heinrich dem Löwen gegründete, im 16. Jahrhundert säkulari-
sirte Bisthum Ratzeburg kam durch den westphälischen Frieden (Inst. Pac. Osn. XII)
1) Mejer a. a. O. S. 70. Dieser freilich ist der Ansicht, daß die von der Kirchenordnung
und Konsistorialordnung vorgeschriebene Kirchenzucht durch eine Gewohnheit deßhalb nicht abgeschafft
werden konnte, weil diese Gewohnheit nicht rationabilis sein würde. Als Mittel der demnach noch
in Geltung befindlichen Kirchenzucht bezeichnet er: gemeine Bußpredigt nach Fol. 231 f. der Rev.
K.O., geheime Abweisung von den Sakramenten nach Titel 12 § 4 Konsist. O.; ferner bei notorischen
Sündern (in Mecklenburg-Schwerin nach erfolgter Entscheidung des Konsistoriums über die No-
torietät), wenn sie sich, wiederholter Vermahnung ungeachtet, hartnäckig erweisen: Exkommunikation,
welche auf Grund eines dahin gehenden Urtheils des Konsistoriums vom kompetenten Geistlichen
ausgesprochen wird; Konsist. O. Titel 12 § 12. vgl. Mejer a. a. O. S. 71, 72.
2) Reversalen von 1621 Art. VI.
3) V.O. betr. das Verfahren in Konsistorialsachen und das obere Kirchengericht für evan-
gelisch-lutherische Kirchendiener vom 2. Januar 1880. s. v. Amsberg S. 718 ff.
4) Bis zum 1. Oktober 1879 fungirte das Oberappellationsgericht zu Rostock als oberes
Kirchengericht. Seine Kompetenz beschränkte sich jedoch auf die Disziplinar-Strafsachen (Rechts-
mittelgesetz vom 15. Januar 1861 § 45), während im Uebrigen die Konsistorial-Erkenntnisse inap-
pellabel waren. Namentlich galt dies von denjenigen, welche auf Amtsenthebung aus dogmatischen
Gründen gingen. Die Verbindung des oberen Kirchengerichtes mit dem an Stelle des O.A.G. ge-
tretenen Oberlandesgerichte war aus dem Grunde nicht möglich, weil das christliche Bekenntniß
nicht mehr ein Erforderniß für die Anstellung beim O.L.G. bildet. Zugleich schien es angemessen,
in allen Konsistorial-Sachen die zweite Instanz zu eröffnen. Reskr. vom 4. Dezember 1878.
(v. Amsberg S. J722.)
5) Rostocker Erbvertrag von 1788 § 76. Wismarsche Konvention von 1829 § 11.