8 6. Staatsdienst und Behördenorganismus. 83
personen eine Uebernahme der Garantie für die Handlungen der Beamten, z. B. der
Wittwenkasse: 1779 und 1861, der Depositenkasse 1830, der Ersparungskasse 1865 und
der Bodenkreditanstalt 1883. Einen besonderen Fall normirt das St.G.Gesetz: „Im Falle
einer widerrechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft ist der Schuldige und
nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugthuung und Entschädigung verpflichtet“.
Es gabschon vor dem Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes für das Deutsche Reich
in Oldenburg keine Ausnahmegerichte und keinen privilegirten Gerichtsstand der Per-
sonen oder Güter (St. G.G. Art. 38 und 95). Auchdiein § 14 des Deutschen Gerichtsverfassungs-
gesetzes zugelassenen besonderen Gerichte existiren in Oldenburg nicht. Ferner kennt man hier
keine Verwaltungs-Gerichtsbarkeit. Der Art. 48 des St. G. G. bestimmte: „Jedem, der sich
durch eine Verwaltungsmaßregel in seinen Privatrechten gekränkt glaubt, steht der Rechtsweg
offen“; es wird jedoch hinzugesetzt (Art. 96), daß die Kompetenz der Justiz= und Verwaltungs-
behörden durch das Gesetz bestimmt werde, und hiervon ist in späteren Gesetzen ein um-
fangreicher Gebrauch gemacht. Während früher nur gegen zuständige Verfügungen der
Deich-Ablösungs= und Markentheilungsbehörden der Rechtsweg versagt war, ist später
u. A. gesetzlich bestimmt, daß alle Streitigkeiten und Zweifel über die Verpflichtung zur
Anlegung, Unterhaltung und Verbesserung der öffentlichen Wege und ihrer Zubehörungen
(Wegeordnung von 1861 Art. 18), ferner über die Instandsetzung, Unterhaltung und Be-
nutzung der öffentlichen Gewässer (Wasserordnung von 1868 Art. 5), sodann alle Rekla-
mationen gegen die Veranlagung zur Einkommensteuer Seitens der Steuerpflichtigen
(Ges. v. April 1864) lediglich von den Verwaltungsbehörden entschieden werden, und im
Gesetze vom Juli 1868, betr. Abgaben von Erbschaften, Vermächtnissen und Schenkungen
heißt es sogar (Art. 11): „Weder über die Frage, ob eine Abgabe zu entrichten, noch
über den Betrag derselben findet ein gerichtliches Verfahren statt“. Ein praktisches Be-
dürfniß zur allgemeinen Regelung der Zuständigkeit der Gerichts= und Verwaltungsbe-
hörden ist nicht anerkannt, „da Zweifel selten vorkämen und auf Grund der vorhandenen
Gesetze und wissenschaftlich festgestellten allgemeinen Principien ohne wesentliche Schwierig-
keit zu entscheiden seien“ (Motive zum Gesetze vom 24. März 1870).
Ueber Kompetenzkonflikte zwischen Gerichts= und Verwaltungsbehörden
soll staatsgrundgesetzlich eine durch Gesetz zu bestimmende Behörde entscheiden. Nachdem
diese (1859) für constituirt erklärt und ihr Verfahren (1864) vorläufig geregelt worden,
ist 1870 ein ausführliches Gesetz, betr. die Kompetenzconflikte, erlassen, dessen Bestim-
mungen 1879 mit denjenigen des § 17 des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes, soweit
nöthig, in Uebereinstimmung gebracht sind. Die Kompetenzkonfliktbehörde besteht hiernach
aus dem Präsidenten des Oberlandesgerichts als Vorsitzenden, drei Mitgliedern desselben
Gerichts und drei Ministerialräthen. Sie entscheidet unanfechtbar über einen positiven
Kompetenzkonflikt, wenn solcher durch einen Kompetenz-Einspruch von Seiten der Verwal-
tung in eine bei einem bürgerlichen Gericht anhängige Streitsache erhoben ist und das
Gericht sich für seine Zuständigkeit ausspricht, ferner über einen negativen Kompetenz-
konflikt auf Antrag eines Betheiligten. Ihre Thätigkeit war keine erhebliche. Von nur
6 zulässig befundenen Kompetenzeinsprüchen sind 4 für begründet, einer für unbegründet
und einer für theilweise begründet, theilweise unbegründet erkannt.
Daß diese Gesetzgebung Oldenburgs auf dem Gebiete der Verwaltungsrechtspflege keine muster-
gültige ist, wird Niemand bezweifeln, aber es fehlte an einem dringenden Bedürfniß, der Lösung
einer der schwierigsten Aufgaben der Gesetzgebung näher zu treten. Was in andern Deutschen
Ländern hauptsächlich hierzu Veranlassung gab: zu verhütender Mißbrauch einer Parteiregierung
zu einer parteiischen Verwaltung, existirte bisher in Oldenburg nicht. Bedenklich erscheint
indessen, daß die Verwaltung allein mitunter, besonders in Erbschaftssteuersachen, über schwie-
rige Rechtsfragen von erheblicher vermögensrechtlicher Bedeutung für den Einzelnen zu ent-
scheiden hat.
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