Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

84 Becker, Das Staatsrecht des Großherzogthums Oldenburg. 86. 
II. Justiz. Ordentliche Gerichte für das Großherzogthum sind 19 Amts— 
gerichte; davon 14 im Herzogthum, 3 in Lübeck und 2 in Birkenfeld, besetzt mit 
32 Amtsrichtern, 25 im Herzogthum, 4 in Lübeck und 3 in Birkenfeld. Die Zu- 
ständigkeit der Amtsgerichte erstreckt sich auch auf die freiwillige Gerichtsbarkeit, da ein 
Notariat nicht existirt. Es besteht sodann für das Herzogthum ein Landgericht, ohne 
Handelskammern, für die hier das Bedürfniß fehlt, ferner für das Herzogthum Oldenburg 
und das Fürstenthum Schaumburg-Lippe ein gemeinschaftliches Oberlandesgericht mit dem 
Sitz in der Stadt Oldenburg. Für das Fürstenthum Lübeck besteht ein mit der freien 
Hansestadt Lübeck gemeinschaftliches Landgericht in Lübeck; Oberlandesgericht ist das 
Hanseatische in Hamburg. — Das königlich Preußische Landgericht in Saarbrücken und 
das Oberlandesgericht in Köln sind zugleich für das Fürstenthum Birkenfeld bestellte 
Gerichte. 
Begründet sind diese Einrichtungen vorzugsweise durch die Erwägung, daß eine gute 
praktische Anwendung der Deutschen Civilproceßordnung so große Collegialgerichte erfordert, 
daß sich bei denselben ein tüchtiger Richter= und Anwaltsstand erhalten kann. Dies war für 
Lübeck und Birkenfeld allein nicht zu erwarten: ihre Verbindung mit den Gerichten des Herzog- 
thums verbot die Entfernung. Dagegen sprachen für erheblich größere Oberlandesgerichtsbezirke, 
als sie für ein Landgericht erforderlich sind, nur untergeordnete Gründe, die zur Zeit durch 
das Bedürfniß der Rechtsprechung inländischer Richter über particulares Recht und der Ver- 
wendung der Mitglieder des Oberlandesgerichts zu anderen Zwecken, als denen der Rechtsprech- 
ung: Theilnahme an der Gesetzgebungs-Commission, Prüfungskommission, Aufsicht über die Ju- 
stizoerwaltung u. s. w., überwogen wurden. Mit dem Inslebentreten eines deutschen Civilge- 
setzbuches und hoffentlich auch einer Deutschen juristischen Prüfungscommission wird auch die 
Frage eines Anschlusses des Herzogthums Oldenburg an ein größeres Oberlandesgericht neu zu 
erwägen sein. 
Das Schwurgericht in Oldenburg versammelt sich regelmäßig dreimal im Jahre 
auf wenige Tage. Zu seiner Zuständigkeit gehören auch die, seit 25 Jahren übrigens nur 
zweimal vorgekommenen, Hauptverhandlungen und Erkenntnisse über Preßverbrechen und 
solche Preßvergehen, welche von Amtswegen verfolgt werden, soweit nicht die Zuständig- 
keit des Reichsgerichts begründet ist. 
Die Bestimmungen des § 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes für das Deutsche Reich 
über die für den Nachweis der Fähigkeit zum Richteramte erforderlichen Prüfungen 
kommen auch für die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst im Großherzogthum 
Oldenburg zur Anwendung. 
Die erste Prüsung geschieht nur schriftlich von einem Senate des Oberlandesgerichts in 
Oldenburg. Für die zweite, schriftliche und mündliche Prüfung treten demselben zwei Räthe des 
Staatsministeriums hinzu. Von dem dreijährigen Vorbereitungsdienste darf ein Jahr im Dienste 
bei den Verwaltungsbehörden verwendet werden. 
III. Verwaltung. Bis zum Mai 1869 bestanden in jeder der drei Provinzen kolle- 
gialisch eingerichtete obere Verwaltungsbehörden: Regierung, Kammer 2c. Die 
selben sind für das Großherzogthum Oldenburg aufgehoben, und ihre Geschäfte, zu denen 
insbesondere auch die Entscheidung über Berufungen gegen Verfügungen der untern Ver- 
waltungsbehörden gehörte, sind hier an das Staatsministerium übergegangen. 
Das Gesammtministerium besteht aus den drei Departementsvorständen der 
Justiz, des Innern und der Finanzen, denen nach besonderer Bestimmung des Großherzogs 
Kirchen-, Schulen-, Haus= und auswärtige Angelegenheiten zugewiesen werden. Soweit 
nicht einzelne Angelegenheiten, wie Verfassungsfragen, Gesetze und Verordnungen, Anstel- 
lungen, diesem Gesammtministerium zugewiesen sind oder der Entschließung des Groß- 
herzogs unterliegen, steht dem Vorstande in Angelegenheiten seines Departements die 
alleinige Entscheidung oder Verfügung zu. Wer sich durch eine solche Entscheidung oder 
Verfügung beschwert erachtet, kann jedoch — innerhalb 8 Tagen — eine Revision der- 
elben beantragen, welche beim Gesammtministerium erfolgt. Daß hievon kein großer
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.