Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

88 Becker, Das Staatsrecht des Großherzogthums Oldenburg. 8 8. 
Der evangelischen Kirche im Großherzogthum sind im revidirten St.G.G. 
Presbyterial= und Synodalverfassung gewährleistet, vorbehältlich der kirchenregimentlichen 
Befugnisse, welche zur Erhaltung der Verbindung der Kirche mit dem Staate und zur 
Förderung ihrer Zwecke dem Großherzoge nach der Verfassung der Kirche zustehen. — 
Im Herzogthum befaßt die evangelische Kirche Lutheraner, Reformirte und Evangelische 
Unirte, beinahe ¾ der Bevölkerung. Zwischen ihnen wohnen ungefähr eintausend Sektirer: 
Baptisten, Methodisten und Mennoniten, die keine Korporationsrechte haben. Auf den 
Antrag des Landtags von 1868: verschiedenen Baptistengemeinden Corporationsrechte zu 
verleihen, hat die Staatsregierung einzugehen für bedenklich erachtet. Für die evangelische 
Kirche des Herzogthums gab zunächst die Bestimmung des § 17 der Deutschen Grund- 
rechte: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig“ 
Veranlassung zu einer gänzlichen Veränderung ihrer Stellung zum Staate. Eine Ver- 
ordnung vom 31. Januar 1849 berief eine von den Geistlichen und den weltlichen Ge- 
meinden gewählte Synode zur Berathung und Beschlußfassung über die künftige Ver- 
fassung der evangelischen Kirche. Das von dieser Synode beschlossene, August 1849 ver- 
öffentlichte Verfassungsgesetz enthält nichts von einem landesherrlichen Kirchenregimente, 
ordnet die Vertretung der Kirche durch eine Landessynode, deren Beschlüsse durch die 
einem von ihr gewählten Oberkirchenrath obliegende Verkündigung Gesetzes Kraft erhalten 
und deren Schluß oder Vertagung nur von ihr selbst beschlossen werden kann. Nach dem 
Inslebentreten dieser Verfassung machten sich indessen so viele widerstrebende Elemente 
geltend, daß in dem revidirten St.G.G. die Bestimmung getroffen wurde, daß „die noth- 
wendigen Aenderungen der Verfassung der evangelischen Kirche des Herzogthums durch 
den Großherzog unter Zuziehung der kirchlichen Organe getroffen werden sollen"“. In 
Lübeck und Birkenfeld waren die früher bestandenen organischen Einrichtungen der evan- 
gelischen Kirche in Kraft geblieben; im Herzogthum aber ward nunmehr vom Großherzoge 
eine Revision der Kirchenverfassung angeordnet, und auf Grund derselben sowie der Er- 
klärungen der ordentlichen Landessynode und des Oberkirchenraths am 11. April 1853 
die neue Kirchenverfassung verkündet. Nach Inhalt derselben ordnet und verwaltet die 
Kirche ihre Angelegenheiten selbständig, unbeschadet der Rechte des Staates, und hat der 
Großherzog das den evangelischen Landesfürsten Deutschlands herkömmlich zustehende 
Kirchenregiment, beschränkt durch die Bestimmungen der Verfassung, wonach insbesondere 
Gesetze auf dem Gebiete des Kirchenwesens nur in Uebereinstimmung mit der Landes- 
synode erlassen werden können. Die Landeskirche bleibt jedoch ein Theil der evangelischen 
Kirche Deutschlands und eine Gesetzgebung über den Inhalt des Bekenntnisses kommt ihr 
nicht zu. Die Landessynode besteht aus 5 vom Großherzoge und 30 von 7 Kreissynoden 
gewählten Abgeordneten. Die Mitglieder der obersten Kirchenbehörde, des Oberkirchen- 
raths, werden vom Großherzoge ernannt. Eine Generalsuperintendentur besteht nicht. 
Die Organisation der Pfarrgemeinden entspricht derjenigen der politischen Gemeinden. 
Die allgemeinen Kirchenausgaben, soweit sie nicht aus der Staatskasse gedeckt werden, 
sollen von den einzelnen Gemeinden nach ihrer Steuerkraft aufgebracht werden. Die für 
die evangelische Kirche früher aus der Staatskasse geleisteten Zahlungen wurden in Ge- 
mäßheit einer Verordnung von 1849 in der bisherigen Weise geleistet, bis es 1870 zu 
einem Abkommen mit dem Staate kam, wonach der evangelischen Kirche vom Staate eine 
Pauschsumme unter gewissen Bedingungen zugestanden wurde, von denen die bedeutendste 
war, daß das Abkommen erlöschen solle, wenn die Kirche mit solcher Pauschsumme nicht 
auskomme und sich veranlaßt finde, zur Bestreitung ihrer Bedürfnisse eine Kirchensteuer 
auszuschreiben. Diese Bedingungen sind 1874 fallen gelassen, sollen jedoch wiederaufleben, 
sobald die in die Kirchenverfassung aufgenommene Bestimmung wegfällig werde, nach 
welcher diejenigen Mitglieder der Synode, welche als Geistliche gewählt sind, nur eine
	        
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