Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

87. Der Landtag. 91 
§ 7. Der Landtag. I. Einleitung. Bereits zur Zeit der Vereinigung des 
Herzogthums Sachsen-Altenburg mit Sachsen-Gotha hatte das erstere seine landständische 
Institution, in ähnlicher Weise, wie sie sich in der Mehrzahl der deutschen Länder durch 
die Interessen der bestehenden Körperschaften gegenüber der Entwickelung der Landeshoheit 
herausgebildet hatte. Die Landstände waren korporative Vertreter der Ritterschaft (Rit- 
tergutsbesitzer) und der Städte. 
Ihre Rechte sind ihnen in Landtags-Abschieden, landesfürstlichen Reversalen und 
sonstigen Urkunden verschiedenen Namens zugesichert. Insbesondere geschieht dies in der 
Landesordnung von 1705, welche die Herzoglich Sachsen-Altenburgische Specialgesetzge- 
setzgebung eröffnet. Ihre Mitwirkung bei der Gesetzgebung war im Wesentlichen nur 
eine berathende. Dagegen stand ihnen nicht nur ein Recht zur Verwilligung der Steuern, 
sondern auch zu deren Erhebung und Mitverwaltung zu. 
Im Jahre 1831 wurde nach erfolgtem Beirathe der Landstände und mit deren Zu- 
stimmung in dem Grundgesetze vom 29. April 1831 eine neue landständische Verfassung 
errichtet. Sie ist durch die spätere Gesetzgebung vielfach geändert worden, bildet aber 
immer noch die Grundlage des für die Landschaft geltenden öffentlichen Rechts. 
II. Zusammensetzung. Der Landtag besteht aus Einer Kammer und wird 
aus 30 mittelst direkten Wahlverfahrens gewählten Abgeordneten, wovon 9 in den Städten, 
12 auf dem platten Lande und 9 von den Hoöchstbesteuerten gewählt werden, gebildet. 
Für die Wahl der Abgeordneten der Städte und des platten Landes ist das Herzogthum 
durch Gesetz vom 3. August 1850 in 7, für die Wahl der Höchstbesteuerten in 9 Wahl- 
bezirke getheilt. Der Wahl der Abgeordneten der Städte und des platten Landes liegt 
das Dreiklassensystem in der Weise zu Grunde, daß die Wähler jedes Bezirks nach Maß- 
gabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Staatssteuern in 3 Abtheilungen getheilt 
werden und jede Abtheilung einen Abgeordneten wählt. Die erste Abtheilung wird aus 
den Höchstbesteuerten des Bezirks bis zu einem Drittheile der Gesammtsteuersumme des 
Bezirks gebildet. Die zweite Abtheilung besteht aus denjenigen Wählern, auf welche die 
nächstniedrigen Steuerbeträge bis zur Grenze des zweiten Drittheils, die dritte aus den 
am niedrigsten besteuerten Wählern. 
Die Zahl Derer, welche als Höchstbesteuerte wählen, wird nach der Seelenzahl der 
Wahlbezirke derart festgestellt, daß auf je 500 Seelen und einen Ueberschuß von mehr als 
250, unter Zugrundelegung der letzten Volkszählung, je ein Wähler kommt. Diese höchst- 
besteuerten Wähler werden bei Berechnung der Steuersumme für die Abtheilungswähler 
ausgeschieden. 
Jeder Wähler kann sein Wahlrecht nur einmal ausüben. 
Das äktive Wahlrecht setzt Staatsangehörigkeit, das erfüllte 25. Lebensjahr, die 
Entrichtung direkter Staatssteuer, männliches Geschlecht, die Führung eines eigenen Haus- 
standes und den Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie, dafern der Wähler kein un- 
mittelbarer oder mittelbarer Staats-, Kirchen= oder Schuldiener ist, einen sechsmonatlichen 
festen Wohnsitz im Wahlbezirke und Berichtigung der Steuern für das verflossene Ka- 
lenderjahr oder schuldlose Resthängigkeit voraus. 
Während der Zustandvormundschaft, des Empfangs von Armenunterstützung aus 
Staats= oder Gemeindemitteln zur Zeit der Wahl oder im Jahre vorher, der Dauer 
eines Konkurses bis zu vollständiger Befriedigung der Gläubiger und während einer Straf- 
oder Untersuchungshaft ruht das Wahlrecht. 
Ueber die Folgen des Mißbrauchs des Wahlrechts durch Erkaufung von Stimmen 
u. s. w. bestimmt das Reichsstrafgesetzbuch (§ 105 ff.). 
Die Wähler= und Abtheilungslisten haben zu Jedermanns Einsicht behufs Sellung 
von Reklamationen öffentlich auszuliegen.
	        
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