88. Die Gesetzgebung. 95
Abgeordneten gestellt wird oder das Ergebniß der regelmäßigen Abstimmung durch Auf—
stehen und Sitzenbleiben zweifelhaft ist.
Bei Ablehnung eines Gesetzes ist die Landschaft zur Angabe aller ihrer Gründe
verpflichtet. (Grundges. § 209.)
Die Staatsregierung wird durch die Mitglieder des Ministeriums oder durch beson-
dere Kommissare vertreten. Jeder Vertreter derselben ist jederzeit berechtigt, behufs münd-
licher Eröffnung das Wort zu verlangen, sowie vor und während der Verhandlung An-
träge, welche die Verbesserung oder Beseitigung eines in der Verhandlung begriffenen
Gegenstandes bezwecken, zu stellen.
Die Verhandlungen sind öffentlich. Geheime Sitzung findet nur statt, wenn das
Ministerium sie verlangt, ein darauf gerichteter Antrag von mindestens einem Drittel der
anwesenden Abgeordneten unterstützt wird, oder der Präsident im Interesse der Ordnung
sie für nöthig erachtet.
Der Landesherr ist zur Vertagung des Landtags ohne zeitliche Beschränkung sowie
zur Schließung und Auflösung desselben berechtigt. Schließung und Auflösung erfordern
ein landesherrliches Dekret. Die Vertagung kann durch einen Minister oder einen mit
Ministerialvollmacht versehenen Kommissar erfolgen. Nach § 166 des Grundgesetzes haben
im Falle der Auflösung neue Wahlen einzutreten, ohne daß ein Termin hierfür festgesetzt
ist. Die Mitglieder des aufgelösten Landtages sind wieder wählbar.
Der früher bestandene landständische Ausschuß, die Landes-Deputation, ist durch ver-
änderte Organisation in Wegfall gekommen. An ihre Stelle sind 2 landschaftliche Depu-
tirte getreten, welchen, ohne ein Recht derselben auf maßgebende Einwirkung auf die Be-
schlüsse, von vorzugsweise wichtigen Gegenständen der Finanz-Verwaltung (Aenderungen
im Stocke des Vermögens oder der Schulden, Etatsabänderungen, ungewöhnliche Erlasse,
bedeutende unvorgesehene Ausgaben) Kenntniß zu geben ist, welchen eine berathende
Stimme bei Schlußfassungen des Gesammtministeriums in Angelegenheiten des Domänen=
Fideikommisses des Herzoglichen Hauses zusteht und welche als Mitglieder des Verwal-
tungsraths der staatlichen Landesbank fungiren. Eine Stelle im Direktorium der letzteren
wird gleichfalls von der Landschaft besetzt. (Ges. 3. Decbr. 1855. Ges. v. 14. März 1866.
Ges. v. 29. April 1874 § 21.)
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DPritter Abschnitt.
Bie staatlichen Tunktionen.
§ 8. Die. Gesetzzgebung. Entgegen dem modernen Sprachgebrauche unterscheidet
die Verfassung (Grundges. § 201 ff.) zwischen Gesetzen im materiellen Sinne (von der
Staatsgewalt veröffentlichte allgemeine Rechtsvorschriften) und Gesetzen im formellen Sinne
(Verwaltungsakte, welche zur Giltigkeit der landschaftlichen Genehmigung bedürfen). Nur
allgemein neue Gesetze (im materiellen Sinne), welche die Freiheit der Person oder das
Eigenthum aller Staatsangehörigen betreffen, erfordern zur Entstehung ausdrücklicher