Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

§ 1. Geschichtliche Entwickelung. Stellung zum Reich. Staatsgebict. 115 
Staatsgrundgesetze der Herzogthümer Coburg und Gotha vom 
3. Mai 1852 seinen Ausdruck fand. Dasselbe erklärt eine Reihe von Verhältnissen 
und Einrichtungen, zumeist solche, die mit der staatlichen Repräsentation oder mit aus- 
wärtigen Beziehungen zusammenhängen, für gemeinsame Angelegenheiten, während 
cs alle übrigen als besondere Angelegenheiten jedes einzelnen Her- 
zogthums bestehen läßt. Spätere Versuche, die Vereinigung zu einer vollständigen zu 
machen, sind immer wieder gescheitert und so bildet das Staatsgrundgesetz 
vom 3. Mai 1852 mit einigen Nachträgen noch heute die haupt säch- 
lichste Quelle und Norm für das in den Herzogthümern geltende 
öffentliche Recht. Besondere Verfassungen für Coburg und Gotha- 
giebt es nicht mehr. 
Ueber die Rechtsbeständigkeit des St. G.Ges. kann kein Zweifel obwalten: dasselbe 
ist auf durchaus verfassungsmäßigem Wege zu Stande gekommen; auch hat der nächste 
Agnat Prinz Albert, von welchem gegen verschiedene Bestimmungen der Gothaischen Ver- 
fassung vom Jahre 1849 ein Protest eingelegt worden war, im Jahre 1855 nach Bei- 
legung des Gothaischen Domänenstreites zu dem neuen gemeinschaftlichen St. G. Ges. aus- 
drücklich seine Zustimmung erheilt. Es haben zwar die Fürsten Karl zu Hohenlohe-Kirch- 
berg und Ernst zu Hohenlohe-Langenburg sowie einige Gothaische Rittergutsbesitzer gleich 
im Jahre 1852 wegen Auhhebung der alten landschaftlichen Verfassung und wegen Ent- 
ziehung der landständischen Rechte eine Beschwerde beim Bundestage erhoben, die Staats- 
regierung trat jedoch entschieden für die Aufrechthaltung des neu geschaffenen Rechtszu- 
standes ein und der Bundestag ließ die ganze Angelegenheit, nachdem mehrere der Be- 
schwerdeführer gestorben waren, durch Aufwerfung einer Legitimationsfrage in den Sand 
verlaufen. - 
Abgesehen von einer unverkennbaren Schwerfälligkeit des Organismus, welche sich 
am meisten der Staatsregierung fühlbar macht, die ihn zu handhaben hat, steht 
das St.G.Ges. im Großen und Ganzen auf der Höhe seiner Zeit, die politischen Rechte 
der Staatsangehörigen und die constitutionellen Befugnisse der Landtage sind sorgfältig 
den Grundsätzen des modernen Staatsrechts angepaßt und höchstens in einzelnen unter- 
geordneten Punkten durch die Fortschritte überholt, welche das öffentliche Leben in Deutsch- 
land seit dem Bestehen der Reichsverfassung und des Reichstags gemacht hat. Die Be- 
hörden und die Bevölkerung haben sich auch während eines 30 jährigen Zeitraums in den 
complicirten Mechanismus hineingelebt. 
II. Die staatsrechtlichen Beziehungen zum deutschen Reiche er- 
geben sich aus der Reichsverfassung; die Herzogthümer nehmen im Reichsorganismus keinerlei 
Separatstellung ein. Im Bundesrath führen sie 1 Stimme, für den Reichstag weist ihnen 
das Wahlgesetz vom 31. Mai 1869 zwei Abgeordnete zu. Wegen der räumlichen Ent- 
fernung beider Herzogthümer ist durch Landesgesetz ausgesprochen, daß jedes von ihnen 
einen selbstständigen Wahlkreis bilden soll. Der Wahlkreis Coburg ist einer der kleinsten 
im Reiche. 
Aus früheren Zeiten besteht noch eine Reihe von Conventionen mit anderen Staaten, 
namentlich zur Beförderung der Rechtspflege; dieselben sind aber meistens durch die Ge- 
setgebung des Reichs hinfällig geworden. Ebenso haben die früheren Zoll= und Handels- 
verträge mit deutschen und außerdeutschen Ländern fast sämmtlich ihre Bedeutung ver- 
loren. Beide Herzogthümer gehören dem Thüringischen Zoll= und Handelsverein an, das 
Coburgische Amt Königsberg ist dem Bayerischen, das Gothaische Amt Volkenroda dem 
Preußischen Zollgebiet einverleibt. 
Auswärtige Gesandtschaften werden von den Herzogthümern nicht unterhalten. Da- 
gegen haben die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen der Königin von England zum 
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