8 2. Das Staatsoberhaupt. 117
Zweiter Abschnitt.
Bie staatlichen Organe.
§ 2. Das Staatsoberhaupt. I. Das Herzogliche Haust). Das Herzogliche Haus
ist ein Zweig des Sachsen-Gothaischen Gesammthauses, welches jetzt aus den drei Spezial-
häusern Sachsen-Meiningen, Sachsen-Coburg und Gotha und Sachsen-Altenburg besteht;
sie allein sind noch übrig von den sieben, durch die Söhne Ernst's des Frommen gegrün-
deten Linien Gotha, Coburg, Meiningen, Römhild, Eisenberg, Hildburghausen und Saal-
feld. Stammvater des Herzoglichen Hauses ist der jüngste Sohn Ernst's des Frommen,
Johann Ernst, welcher zu Saalfeld regierte und 1729 starb. Alle fürstlichen
Personen, die von ihm durch rechtmäßige Geburt aus ebenbür-
tigen Ehen in männlicher Linie abstammen, sowie ihre ebenbür-
tigen, mit Genehmigung des Herzogs geehelichten Gemahlinnen,
ingleichen ihre Wittwen während des Wittwenstandes gehören
zum Herzoglichen Haus, jedoch die Prinzessinnen nur bis zu ihrer Vermählung.
Dasselbe besteht jetzt aus drei Linien, aus der des f Herzogs Ernst I. (Herzog Ernst II.
und die Descendenz des # Prinzen Albert), aus der des ## Prinzen Ferdinand (König
Ferdinand von Portugal sammt seiner Descendenz, die Descendenz des f Prinzen August
und Prinz Leopold), endlich aus der des f Prinzen Leopold, Königs der Belgier (König
Leopold II. und der Graf von Flandern).
Der Herzog ist das Oberhaupt des Hauses; er führt (seit 1844) das Prädicat
„Hoheit“, welches auch dem Erbprinzen gebührt; die übrigen Prinzen und Prinzessinnen
werden „Durchlaucht" genannt. Nur der regierende Herzog heißt „Herzog
von Sachsen-Coburg und Gotha“, die Prinzen und Prinzessinnen sind als
Mitglieder des Sächsischen Gesammthauses Herzöge und Herzoginnen „zu Sachsen“.
II. Rechte und Pflichten des Herzogs. Der Herzog ist das Staats-
oberhaupt und übt als solches alle Rechte der Staatsgewalt innerhalb der Schranken
des Staatsgrundgesetzes und der Reichsverfassung. Die Person des Herzogs ist unver-
letzlich; „für seine Regierungshandlungen ist er keiner äußeren Verantwor-
tung im Lande unterworfen;“ die Verantwortlichkeit trifft den contrasignirenden Mini-
ster. Deßhalb haben auch die Anordnungen des Herzogs nach ausdrücklicher Vorschrift
des St.G.G. nur dann die Wirkung von Regierungshandlungen, wenn sie schriftlich er-
lassen und von einem verantwortlichen Mitgliede des Staatsministeriums gegengezeichnet
sind. In privatrechtlichen Angelegenheiten, in streitigen und in nichtstreitigen Rechtssachen
haben der Herzog und die übrigen Mitglieder des Herzoglichen Hauses ihren allgemeinen
Gerichtsstand jetzt vor dem Landgericht zu Gotha.
Der Herzog hat das Begnadigungsrecht in vollster Ausdehnung; er darf nach
dem St. G. G. auch Untersuchungen niederschlagen undeinstellen lassen.
Nur bei Verfassungsverletzungen ist eine Abolition unzulässig und eine Begnadigung an
die Zustimmung des Landtags gebunden. Der Herzog hat ferner das Recht der Dis-
pensation, soweit dasselbe nicht gesetzlich beschränkt ist; Monopolien, ausschließende
1) Außer dem St. G.G. kommt hier vorzugsweise das Hausgesetz vom 1. März 1855.
(Nro. 35 der Gemeinschaftl. Gesetzsammlung) in Betracht.
2) Einzelne Nachkommen des Prinzen Ferdinand werden häufig ebenfalls Herzöge von Co-
burg und Gotha genannt; mit Unrecht. Ganz unrichtig ist vollends die Bezeichnung: „Herzog (oder
Prinz) von Coburg-Cohary“; diesen Namen gibt es überhaupt nicht.