Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

120 Forkel, Das Staatsrecht der Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha. § 2. 
Herzog erwerben, damit in dessen Hand Stammland und neuer Anfall im Gesammtin- 
teresse des Hauses vereinigt werden. 
„Dafern bei dem Aussterben der regierenden Linie zwei gleich nahe Linien vor- 
handen sein sollten, so wird die jüngere durch die ältere ausgeschlossen“". Diese Bestimmung des 
St. G.G. spricht nur von der Succession innerhalb des Coburg-Gothaischen Spezialhauses, nicht 
auch von dem Euccessionsfalle beim Aussterben desselben. Obgleich das Erlöschen des Hauses 
Coburg und Gotha nach menschlicher Berechnung in weiter Ferne zu liegen scheint, so erfordert 
doch die Vollständigkeit, den Fall ebenfalls, wenn auch nur kurz, zu berühren. Die Sache liegt 
einfach, wenn von den beiden anderen Häusern S. Meiningen und S. Altenburg nur noch eines 
besteht; diesem wird dann das erledigte Land allein anfallen und zwar so, daß auf Grund des 
in jedem Spezialhause gesetzlich eingeführten Erstgeburtsrechtes der regierende Herzog 
die Nachfolge für sich ausschließlich in Anspruch zu nehmen hat. Zweifelhaft aber wird die Frage, 
wenn beim Aussterben des Coburg-Gothaischen Hauses die beiden Häuser S. Meiningen und 
S. Altenburg noch bestehen. Eine gemeinschaftliche gesammtverbindliche Primogeniturordnung 
für die Ernestinischen Häuser gibt es nicht; es ist sogar unter Bezugnahme auf ältere Verträge 
noch im Römhilder Rezeß vom 28. Juli 1791 vorgeschrieben, „daß es in Ansehung der in dem 
Gothaischen Gesammthause vorkommenden Collateralsuccessionsfälle bei der ohnehin schon ver- 
glichenen successio linealis in stirpes sein unabänderliches Bewenden haben“ und jede Spe- 
ziallinie „gleiche Erbraten unverkürzt erhalten solle“. Allerdings hat es nicht an Anfechtungen 
der Gültigkeit dieser Vereinbarung gefehlt, indeß wurde noch im Jahre 1826 beim Aussterben 
der Speziallinie Gotha-Altenburg darnach verfahren. Man kann sich aber nicht verhehlen, daß 
eine solche Zerreißung bestehender Staaten beim Erlöschen des regierenden Hauses den heutigen 
öffentlich-rechtlichen Anschauungen nicht mehr entspricht und mit dem Wesen unserer constitutio- 
nellen Monarchieen sich nicht verträgt. „Wer die Theilbarkeit eines deutsch-monarchischen Staates 
der Gegenwart in einem Successionsfalle zuläßt, um die concurrirenden Ansprüche mehrerer An- 
wärter zu befriedigen, degradirt den deutschen Staat der Gegenwart zu einem bloßen Object des 
Erbrechts, während doch das Thronfolgerecht keine andere Aufgabe hat, als die erledigte höchste 
Stelle des Oberhauptes im Staatsorganismus durch einen neuen persönlichen Träger der Staats- 
gewalt zu besetzen ).“ Der Staat hat als politisches Gemeinwesen einen Anspruch darauf, daß 
man seine verfassungsmäßige Einheit achtet und wahrt. Die Herzogthümer Coburg und Gotha 
werden in § 1 des Staatsgrundgesetzes ausdrücklich als „untrennbares Ganzes“ be- 
zeichnet; auch dem Reiche gegenüber bilden sie ein solches. Wir meinen daher, daß sie eintre- 
tenden Falles nicht unter die Häuser S. Meiningen und S. Altenburg getheilt werden 
dürften, sondern daß nur eincs dieser beiden Häuser und zwar S. Meiningen als das ältere 
zur Succession gelangen könnte ). Eine pecuniäre Abfindung des anderen Hauses wäre 
natürlich nicht ausgeschlossen, zumal da die Untheilbarkeit des politischen Staates nicht noth- 
wendig auch die der Domänern in sich schließt, deren vermögensrechtlicher Character eine an- 
dere Behandlung zuläßt. Solange das herzogl. Haus in den Herzogthümern regiert, ist aller- 
dings nach dem Hausgesetz die Succession in den Genuß des Domänenguts mit der in die Re- 
gierung untrennbar verbunden; diese Bestimmung gilt aber eben nur für das Coburg-Gothaische 
Spezialhaus, während die Domänen Eigenthum des Gothaischen Gesammthauses sind. Jeden- 
falls erscheint es in hohem Grade räthlich, die ganze, außerordentlich zweifelhafte Frage, welche 
auch dann praktisch wird, wenn nicht Coburg und Gotha, sondern Meiningen oder Altenburg 
zuerst ausstirbt, bei Zeiten durch ein Hausgesetz für das Gothaische Gesammt- 
haus zur Entscheidung zu bringen und zwar im Sinne der modernen staatsrechtlichen An- 
schauung. 
IV. Der Regierungsverweser. Eine Regierungsverwesung tritt 
ein, wenn der Herzog regierungsunmündig dder wegen körperlicher oder 
geistiger Gebrechen nicht im Stande ist, die Regierung zu führen oder fort- 
zuführen. Beschränkte geistige oder körperliche Fähigkeiten haben eine Regierungsverwe- 
sung nicht zur Folge; es muß Unfähigkeit vorliegen. Die Succession selbst, insbe- 
sondere das Recht zur Führung des Herzogstitels und der Eintritt in die Bezüge des 
Herzogs aus dem Domänengute, wird durch die Unfähigkeit, zu regieren, nicht ausge- 
schlossen. 
Das St. G. G. schreibt vor, daß bei Unfähigkeit des nächstberechtigten Prinzen noch 
vor dem Eintritt des Successionsfalls durch ein Gesetz die künftige Regierungsverwesung 
angeordnet und die Person des Regierungsverwesers bestimmt werden soll. Ist dies aber 
unterblieben oder wird der Herzog erst nach erfolgtem Regierungsantritt unfähig, so hat 
das Staatsministerium die Verpflichtung, den Zusammentritt eines Familien- 
1) Dr. Hermann Schulze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechtes, I. Buch Seite 233. 
2) Zu der nämlichen Auffassung gelangt oben Dr. Kircher S. 34, 35. 
 
	        
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