84. Die Staatsdiener. 123
oder durch ein an die Dienstbehörde gerichtetes Rescript; im ersteren Falle begründet
der Staatsdienst ein lebenslängliches und unwiderrufliches, im zweiten nur ein widerruf-
liches Rechtsverhältniß, welches jedoch nach 25jähriger Dienstzeit von selbst unwiderruf-
lich wird. Jeder Staatsbeamte ist auf die treuliche Erfüllung seiner Obliegenheiten und
auf den Inhalt des Staatsgrundgesetzes zu verpflichten; die Verpflichtung der verantwort-
lichen Mitglieder des Staatsministeriums geschieht durch den Herzog selbst oder einen Be-
vollmächtigten desselben.
Alle Staatsdiener, also nicht blos der Staatsminister und die selbstständigen Ab-
theilungsvorstände, sind für die Gesetzmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit ihrer amtlichen
Handlungen verantwortlich. Sie dürfen sich auch nicht zur Ausführung gesetz= oder
verfassungswidriger Maßregeln ihrer Vorgesetzten hergeben, doch beschränkt sich ihre Prü-
fungspflicht auf die zwei Fragen, ob der Vorgesetzte innerhalb seiner amtlichen
Zuständigkeit handelt und ob der Befehl in gesetzlicher Form (z. B. unter Zeich-
nung eines Ministers) ertheilt ist; wenn Beides der Fall, so trifft die Verantwortlichkeit
den Vorgesetzten allein. Die materielle Richtigkeit einer Anordnung hat also der
ausführende Unterbeamte nicht zu untersuchen; es würde dies die Disciplin im Beamten-
stande gefährden. Die Berufung auf einen persönlichen Befehl des Herzogs befreit in
keinem Falle von der Verantwortlichkeit.
Staatsbeamte, welche gegen die Bestimmungen des St.G.G. handeln, machen sich
des „Vergehens der Verfassungsverletzung"“ schuldig; es ist dies ein selbstständiges
Vergehen, unabhängig von den Zuwiderhandlungen gegen das Strafgesetzbuch. Das St. G.G.
gewährt jedem Landtag bez. Landtagsausschuß innerhalb seiner Competenz die Befugniß,
Staatsbeamte wegen Verfassungsverletzung anzuklagen, wenn der Landtag oder Laudtags-
ausschuß vorher über die Verletzung bei dem Herzog Beschwerde geführt und nicht inner-
halb vier Wochen Abhülfe erlangt hat. Ein Einzellandtag wird auch gegen einen ge-
meinschaftlichen Beamten Anklage zu erheben legitimirt sein, wenn er sich von demselben
in seinen verfassungsmäßigen Befugnissen gekränkt glaubt.
Die Ahndungen der Verfassungsverletzung bestehen in Verweis, Suspension, Ent-
fernung vom Amte mit oder ohne Pension und mit oder ohne Vorbehalt der Wiederan-
stellung im Staatsdienste, endlich in Dienstentsetzung. Die Anklage soll beim Staats-
gerichtshof erhoben und entschieden werden; als solcher hat nach dem Ausführungs-
gesetz zum deutschen Gerichtsverfassungsgesetze das Oberlandesgericht in Jena durch einen
Strafsenat zu fungiren, gegen dessen Entscheidung das Rechtsmittel der Revision an das
Plenum stattfindet. Die näheren Bestimmungen über das Verfahren sind in den §§ 171
bis 177 des St.G.G. enthalten. Durch die Anklage wegen Verfassungsverletzung wird
die Verfolgung konkurrirender gemeiner Vergehen nicht ausgeschlossen. Ueber Abolition
und Begnadigung s. oben S. 117.
Ueber die allgemeinen Rechte und Pflichten der Staatsdiener, über ihr Dienst-
einkommen, das Verbot von Nebengeschäften, den Urlaub, die Heirathserlaubniß, die Ver-
setzbarkeit, die Stellung zur Disposition, die Pensionirung, die Berechnung der Dienstzeit
u. s. w. enthalten die gesetzlichen Vorschriften wenig Eigenthümliches; auch die discipli-
nären Zwangsmittel sind die gewöhnlichen. Wenn sich ein Staatsdiener trotz wiederholter
Ordnungsstrafen neue Zuwiderhandlungen gegen seine Dienstpflicht zu Schulden kommen
läßt, so tritt unbeschadet der sonst etwa verwirkten Strafen das administrative „Besse-
rungsverfahren“ ein, welches der Reihe nach in Verweis, in nachdrücklicher Verwar-
nung unter Androhung der Suspension, sodann in Suspension mit Androhung der Dienst-
entlassung oder der Zurückversetzung auf eine geringere Stelle besteht. Bei Subalternbe-
amten kann statt der Suspension auch Arrest bis zu vier Wochen verfügt werden. Gegen
die Verhängung eines jeden Besserungsversuchs findet ein einmaliger Recurs im Verwal-