Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

126 Forkel, Das Staatsrecht der Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha. 86. 
oder der gemeinschaftliche Landtag mit der Mehrheit der Abgeordneten eines jeden Her— 
zogthums zustimmen). Außer den gemeinsamen Angelegenheiten ist der Competenz des 
gemeinschaftlichen Landtags ferner noch zugewiesen die Gesetzgebung über den gesammten 
Staatsdienst und über Veränderungen in der Behördenorganisation, 
wenn in deren Folge eine Behörde oder Functionen derselben aus dem 
einen Herzogthum in das andere verlegt werden sollen. Auch kann die 
Staatsregierung Gesetzentwürfe und andere Vorlagen, welche zur Zuständigkeit der Einzel- 
landtage gehören und an diese gebracht werden sollen, dem gemeinschaftlichen Landtage 
zur Vorprüfung und Begutachtung übergeben. 
Der Landtag für Coburg besteht aus 11, der für Gotha aus 19 Mit- 
gliedern. Diese 30 Abgeordneten zusammen bilden jetzt den gemeinsamen Landtag. 
Bis 1874 bestand derselbe aus 7 delegirten Mitgliedern des Coburgischen und 14 des 
Gothaischen Landtags. Das Zahlenverhältniß veranlaßte verschiedene Schutzmaßregeln 
gegen eine Majorisirung der Coburgischen Abgeordneten zum Nachtheile ihrer besonderen 
Landesinteressen. Zu dem Ende ist zunächst vorgeschrieben, daß Beschlüsse des gemein- 
schaftlichen Landtags über Abänderungen des Staatsgrundgesetzes, ins- 
besondere auch über Vermehrung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten, ferner Beschlüsse 
über Veränderungen der Behördenorganisation, wenn in deren Folge 
eine Behörde aus dem einen Lande in das andere verlegt oder Functionen einer Behörde 
des einen Landes einer in dem anderen Lande bestehenden Behörde übertragen werden 
sollen 2), zu ihrer Gültigkeit außer der Zustimmung des gemeinschaftlichen 
Landtags auch noch der Zustimmung der beiden Sonderlandtage 
bedürfen. Seitdem der gemeinschaftliche Landtag nicht mehr blos aus Delegirten, son- 
dern aus sämmtlichen Mitgliedern der beiden Einzellandtage besteht, genügt in den genannten 
Fällen ein Beschluß des gemeinschaftlichen Landtags, wenn derselbe mit Zustim- 
mung der Mehrheit der Abgeordneten eines jeden Herzogthums 
gefaßt worden ist). 
Zum Schutze der Coburgischen Interessen ist ferner angeordnet, daß der Mehrheit 
der Abgeordneten eines Herzogthums hinsichtlich eines dem gemeinschaftlichen Landtage 
vorliegenden Gegenstandes, welcher nach ihrer Ansicht an die Einzellandtage gehört, die 
Erhebung des Competenzconflicts und die Aurufung eines Schiedsgerichts 
gestattet sein soll. Diese Bestimmung greift nicht blos bei einem Streit darüber Platz, 
ob der gemeinschaftliche Landtag oder die Einzellandtage competent sind, sondern auch 
bei einem Conflict über die Frage, ob neben der Zustimmung des gemeinschaftlichen 
Landtags noch die der Einzellandtage erforderlich ist. (Urtheil des vormal. O. A. Gerichts 
zu Lübeck vom 17. März 1857.) 
II. Das Wahlrecht und dessen Ausübung; die Wählbarkeit. 
Die Landtagsabgeordneten gehen aus allgemeinen, aber indirecten Wahlen her- 
vor. Es gibt keine bevorzugten Wahlklassen. Die Feststellung der Wahlbezirke beruht 
1) Auf solche Weise wurde im Jahre 1873 das ganze Justizwesen für gemeinsam er- 
klärt, namentlich in Hinblick auf die wachsende Ausdehnung der Reichsgesetzgebung auf diesem Gebiete. 
2) Auf Organisationsänderungen bei einer gemeinschaftlichen Behörde, insbesondere 
beim Staatsministerium bezieht sich diese Bestimmung nicht mit. (Schiedsspruch des Oberappellations= 
gerichts zu Jena vom 30. Oktober 1857.) 1 
3) Aus der verfassungsmäßigen Gemeinschaftlichkeit der Beziehungen zum Deut- 
schen Reiche hat die Staatsregierung mit Erfolg den Schluß gezogen, daß die Anordn ungen 
über die Ausführung der Reichsgesetze, gleichviel welchen Gegenstand dieselben 
betreffen, sowie die Vertretung der Ausführung gegenüber der Reichsgewalt eben- 
falls zu den gemeinschaftlichen Angelegenheiten gehören. Dadurch wird auch auf dem Gebiete 
der Verwaltung einschließlich der Polizei, welche früher ausschließlich Sache jedes einzelnen Herzog- 
thums war, selbst ohne Verfassungsveränderung und ohne Zustimmung der Landtage die Gemein- 
schaft immer mehr erweitert.
	        
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