Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

128 Forkel, Das Staatsrecht der Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha. 8 6. 
wahl angeordnet, doch wurde ausdrücklich anerkannt, daß damit der endgültigen Entschei— 
dung des Landtags nicht präjudicirt werden sollte. 
Zum Zwecke der Wahlprüfung, welche unter dem Vorsitz des ältesten Mitgliedes 
geschieht, werden durch das Loos Ausschüsse von je drei Abgeordneten gewählt, der erste 
Ausschuß prüft die Legitimation der Mitglieder des zweiten und so fort, der letzte die 
der Mitglieder des ersten. Im gemeinschaftlichen Landtage findet eine Wahlprüfung nicht 
weiter statt. Ist die beschlußfähige Anzahl für legitimirt erklärt, so leistet der Altersvor- 
sitzende vor einem Herzogl. Commissär den Abgeordneteneid und nimmt selbst den übrigen 
Mitgliedern den nämlichen Eid ab. Hierauf constituirt sich die Versammlung. Jeder 
Landtag wählt aus seiner Mitte den Präsidenten, dessen Stellvertreter, den Schriftführer 
und einen Stellvertreter desselben; einer landesherrlichen Bestätigung bedürfen die Ge- 
wählten nicht. Erst nach der Wahl des Bureaus erfolgt die förmliche Eröffnung des 
Landtags. 
Die Geschäftsordnung beruht auf Gesetz und kann nur mit Zustimmung des 
gemeinschaftlichen Landtags abgeändert werden. Sie ist einfach und der geringen Mit- 
gliederzahl angepaßt. Alle Regierungsvorlagen sind einer Commission zur Berichterstat- 
tung zu überweisen, Ausnahmen bedürfen der Zustimmung der Staatsregierung. Es 
gibt ständige Commissionen (Verfassungscommission, Finanzcommission, Justizcommission) 
und unständige. Petitionen und Beschwerden, welche von dem Landtag aus materiellen 
Gründen zurückgewiesen sind, dürfen in der nämlichen Wahlperiode nur unter Angabe und 
Bescheinigung neuer thatsächlicher Gründe nochmals eingebracht werden. Beschwerden über 
Regierungsverfügungen sind nur zulässig, wenn der ordnungsmäßige Instanzenzug er- 
schöpft ist. 
Ueber Gesetzesvorlagen findet nach Erstattung des Commissionsberichts eine einzige 
Lesung und nach ihr eine Gesammtabstimmung statt. Nach einem herrschenden Gebrauche 
pflegt die Vorfrage gestellt zu werden, ob auf die Einzelberathung eingegangen werden 
soll. Wird dieselbe verneint, so wird die Staatsregierung in der Regel die Vorlage zu- 
rückziehen, sie kann aber auch eine Abstimmung über das Gesetz im Ganzen verlangen. 
Die Sitzungen der Landtage sind in der Regel öffentlich. Die Protocolle werden 
durch den Druck veröffentlicht; stenographische Berichte sind nicht eingeführt. 
Der Präsident kann Mitgliedern, welche in demselben Vortrage mehrmals zum Ord- 
nungsrufe Veranlassung geben, das Wort entziehen. Wird die Ordnung durch Vertreter 
der Staatsregierung verletzt, so hat die Versammlung nur das Recht der Beschwerde- 
führung beim Herzog. 
V. Berufuug, Eröffnung, Schließung, Auflösung der Land- 
tage. Der Herzog beruft die Landtage und bestimmt den Ort der Versammlung. 
Der gemeinschaftliche Landtag soll abwechselnd in Coburg und in Gotha tagen. Die regel- 
mäßige Einberufung erfolgt in dem ersten und letzten Jahre der Wahlperiode. Der Her- 
zog eröffnet die Landtage in Person oder durch einen Bevollmächtigten. Dem Herzog 
steht das Recht zu, die Landtage zu vertagen. Die Wiedereinberufung vertagter Land- 
tage geschieht durch das Staatsministerium. Die einzige gesetzliche Zeitgrenze für die Ver- 
tagung liegt in der Verfassungsbestimmung, daß die Landtage im letzten Jahre der Wahl- 
periode wieder berufen werden müssen. 
Der Herzog kann auch die Landtage auflösen. Die Auflösung des gemeinschaft- 
lichen Landtags hat zugleich die der beiden Einzellandtage zur Folge; es kann aber auch 
ein Einzellandtag allein aufgelöst werden. Die Neuwahl ist binnen 14 Tagen anzuordnen 
und der neue Landtag längstens 6 Monate nach dem Wahlausschreiben wieder zu er öffnen 
seine Wirksamkeit beschränkt sich auf den noch übrigen Theil der Wahlperiode. 
VI. Landtagsausschüsse. Eine Eigenthümlichkeit, welche sich bei größeren
	        
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