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vertragsmäßigen Festsetzung, so folgen die Söhne der Kirche des Vaters und die Töchter
der Kirche der Mutter; erst nach vollendetem 18. Lebensjahre oder nach erlangter landes—
fürstlicher Dispensation steht den Kindern frei, nach eigener Willensbestimmung zu einer
anderen Confession überzutreten.
Wennschon beide Regulative im Wesentlichen noch heute zu Recht bestehen, so haben
sich doch die Verhältnisse im Laufe der Zeit thatsächlich weiter entwickelt und zwar in
jedem der beiden Herzogthümer anders. In Coburg werden jetzt die Rechte der katho-
lischen Kirche circa sacra von dem Erzbischof von Bamberg wahrgenommen, welcher auch
bei Erledigung der Pfarrstelle für die Gemeinde den neuen Geistlichen vorschlägt. Dieses
Verhältniß beruht jedoch nicht auf bestimmten Vereinbarungen, sondern nur auf factischer
Uebung. Seit 1861 ist auf Ansuchen des erzbischöflichen Ordinariats von der Staatsre-
regierung „vorbehältlich der ferneren Gültigkeit des in anerkannter Wirksamkeit bestehen-
den Regulativs vom 30. October 1812“ zweimal gestattet worden, daß die neuen Geist-
lichen an Stelle des früheren, etwas veralteten Dienst= und Huldigungseides den Eid auf
das St.G.Ges. leisten, welches im § 35 das landesherrliche Placet ausreichend wahrt.
Das Staatsministerium hat aber in diese Aenderung des Eides jedesmal nur gegen die
förmliche Zusage des Erzbischofs gewilligt, daß von seiner Seite, falls aus der Verwal-
tung des katholischen Pfarramts durch den betr. Geistlichen Unzuträglichkeiten entstehen
würden, einem Antrag der Coburgischen Staatsregierung auf Entfernung desselben Folge
gegeben werden solle, eine Zusage, von welcher im Jahre 1862 auch mit Erfolg Gebrauch
gemacht worden ist.
Nicht so einfach liegen die Verhältnisse in Gotha. Die dortige katholische Ge-
meinde hatte sich geraume Zeit zur bischöflichen Diöcese von Paderborn gehalten und
richtete im Jahre 1849 an die Staatsregierung die Bitte, die förmliche Einverleibung in
diese Diöcese zu vermitteln, worauf das Staatsministerium das Preußische Ministerium
der auswärtigen Angelegenheiten um Einleitung der desfallsigen Verhandlungen ersuchte.
Als sodann aus Berlin die Nachricht eintraf, der Bischof sei bereit, die Aufnahme der
Gothaischen Katholiken in seine Diöcese bei dem Papste zu beantragen, wies das Staats-
ministerium darauf hin, daß die näheren Modalitäten einer besonderen Vereinbarung vor-
zubehalten seien; der Bischof aber antwortete mit der Mittheilung, der Papst habe die
Einverleibung bereits genehmigt und canonisch verordnet; von nachträglichen Bedingungen
konne keine Rede sein. Gleichzeitig fragte der Bischof an, ob der Veröffentlichung des
Einverleibungsdecrets durch den katholischen Pfarrer ein Bedenken entgegenstehe; die Ver-
öffentlichung wurde aber nicht gestattet, nachdem der Bischof sich geweigert hatte, die
fernere Gültigkeit des Regulativs von 1811 anzuerkennen. Ein längerer Schriftenwechsel
blieb erfolglos: der Bischof hielt den Standpunkt fest, daß die Aufnahme der Gothaischen
Katholiken in das Bisthum Paderborn einc bedingungslos abgemachte Sache sei, während
das Staatsministerium dieselbe nur als beabsichtigt, nicht als vollzogen bezeichnete und
die fortwährende Gültigkeit des — von dem Bischof als in wesentlichen Punkten mit den
Grundsätzen der römisch-katholischen Kirche unvereinbar bezeichneten — Regulativs be-
hauptete.
Die Differenz steht noch heute ungelöst da; doch hat sich im Laufe der Jahre ein
thatsächliches Verhältniß herausgebildet, durch welches Unzuträglichkeiten bis jetzt vermieden
worden sind. Nach demselben ist im Herzogthum Gotha von dem Bischof niemals eine
Amtehandlung ohne vorher eingeholte Genehmigung der St. Reg. vorgenommen, auch zu
jeder Veröffentlichung eines bischöflichen Hirtenbriefs und zu jeder anderen kirchlichen Ver-
kündigung die landesherrliche Erlaubniß erbeten worden. Erschien dieselbe unbedenklich,
so wurde sie unter dem Vorbehalte ertheilt, daß daraus eine Gestattung der Einverlei-
bung der Kirchengemeinde in die Diöcese Paderborn nicht gefolgert werden dürfe; wurde