Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

87. Der Landtag. 165 
zur Verantwortung gezogen werden. Sie erhalten Reisekosten und Tagegelder nach Maß- 
gabe der Geschäfts-O. (§8§ 30. 32. 33 L.Gr.G.) Die Wahlperiode ist eine vierjährige. 
II. Der Landtag als Vertreter der Gesammtheit der Staatsangehörigen hat die 
ihm in dem Landesgrundgesetz (§8 34 ff.) beigelegten Rechte. Er nimmt Theil an der 
Gesetzgebung (s. § 8), Staatsverträge (excl. der auf dem Zollverein beruhenden) be- 
dürfen seiner Zustimmung, wenn durch dieselben dem Staate Lasten oder den Staatsan- 
gehörigen Verpflichtungen auferlegt werden. 
Für jede Finanzperiode von vier Jahren ist ein Staatshaushaltsetat dem 
Landtag vorzulegen und dann durch ein Gesetz festzustellen. Genehmigung und Deckungs- 
mittel, welche auf bundes= oder landesverfassungsmäßigen oder auf privatrechtlichen Ver- 
pflichtungen des Staates beruhen, darf der Landtag nicht verweigern, ebensowenig einen 
angemessenen Reservefond. Steuern und andere staatsrechtliche Abgaben können 
nur durch ein Gesetz eingeführt, erhöht oder vermindert werden. Die Staatseinkünfte 
dürfen nur zu den Zwecken verwendet werden, für welche sie bewilligt sind. Die Auf- 
nahme neuer, eine Erhöhung der Staats= oder Kammerschuld bewirkender Anleihen 
findet nur auf Grund eines Gesetzes statt, ebenso die Uebernahme von Garantieen zu 
Lasten des Staats. Eine Veräußerung des Staats= oder Kammerguts 
kann — mit gewissen Ausnahmen — nur mit Zustimmung des Landtags geschehen. Der 
Landtag hat das Recht, Vorstellungen und Beschwerden von einzelnen Staats- 
angehörigen und Corporationen dem Ministerium oder dem Fürsten zur geeigneten Be- 
rücksichtigung vorzulegen, sowie aus eigenem Antriebe über Mängel und Mißbräuche in 
der Landesverwaltung und Rechtspflege Beschwerde zu führen und Anträge vorzutragen. 
Die Abstellung gegründet befundener Beschwerden soll ohne Verzug geschehen. Der Land- 
tag ist berechtigt, über alle Gegenstände, welche zu seinem Wirkungskreise gehören, von 
dem Ministerium Auskunft zu verlangen. Diese soll nur verweigert werden, wenn 
sie schwebenden Verhandlungen nachtheilig sein würde. 
III. Der Landtag wird von dem Fürsten regelmäßig im 2. und 4. Jahre jeder 
Finanzperiode und außerdem, so oft es die Umstände erheischen einberufen. Ohne 
Einberufung von Seiten des Fürsten darf sich der Landtag nicht versammeln. Der Fürst 
eröffnet und schließt den Landtag entweder in Person oder durch ein hierzu bevollmäch- 
tigtes Mitglied des Ministeriums. Der Fürst hat das Recht, den Landtag zu vertagen 
und aufzulösen. Im Falle einer Auflösung muß die Anordnung neuer Wahlen binnen 
4 Wochen, die Einberufung des neugewählten Landtags binnen 6 Monaten nach der Auf- 
lösung erfolgen. (§§ 26—29 Landes-Gr.G.) Specialgesetze v. 12. Juli 1857 und 23. Dec. 
1873 regeln die im Grundgesetz nur in den Grundzügen behandelte Geschäftsordnung. 
Der Landtag wählt neben dem Präsidenten nur einen Vicepräsidenten, sowie 
aus der Zahl der staatsangehörigen Rechtsverständigen, welche die Staatsprüfung bestan- 
den haben und sich nicht im Staatsdienste befinden, einen als Schriftführer, Archivar und 
Rechtsconsulent des Landtags und dessen Ausschusses fungirenden Landschaftssyn- 
dicus. Erfolgt die Wahl des letzteren nicht aus der Mitte der Mitglieder, so bedarf 
sie der Genehmigung des Fürsten. Sämmtliche Landtagsmitglieder und der Syndicus 
werden eidlich verpflichtet. (§ 31 L.G.G. und Ges. v. 13. April 1881.) Zur Vorberathung 
der in dem constituirten Landtag zu verhandelnden Gegenstände werden vier aus regel- 
mäßig je 3 Mitgliedern bestehende Fachdeputationen: für Kirchen= und Schulan- 
gelegenheiten, Rechtspflege, Finanzangelegenheiten und allgemeine Verwaltungssachen ge- 
bildet. Die Mitglieder ernennt der Präsident, dem Landtag ist aber überlassen, für 
einzelne wichtige Sachen besondere Deputationen in beliebiger Stärke selbst zu wählen, 
auch kann der Landtag mit Genehmigung des Ministeriums beschließen, die Vorberathung 
alsbald im Plenum vorzunehmen oder sofort im Plenum in die Schlußberathung einzu-
	        
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