Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

–§ 11. Das Verhältniß des Staates zur Kirche und Schule. 171 
die inneren Vermögens= und Einkommenverhältnisse der Steuerpflichtigen, sondern nur eine 
ungefähre Schätzung nach den einen hinreichenden Spielraum gewährenden Grenzen und 
Berücksichtigung aller auf die Leistungsfähigkeit erheblich einflußreichen Momente maßge- 
gend sein soll. Die Klassensteuerrolle stellt der Gemeindevorsiand auf und giebt unter 
Zuziehung vom Gemeinderath gewählter Ortsdeputirter, deren Zahl nach der Größe der 
Gemeinden 2, 4 oder 6 betragen soll, ein kurz motivirtes Gutachten über die Steuerstufe 
jedes einzigen Pflichtigen ab. Von der nur begutachtenden Orts einschätzungskommission 
gelangt die Rolle an die, die wirkliche Einschätzung bewirkende, aus dem Landrath und 
vier vom Bezirksausschuß gewählten Beisitzern bestehende Bezirks einschätzungskommission, 
und von da zur Prüfung, Berichtigung etwaiger Rechenfehler, und Aufstellung etwaiger 
Bedenken (nicht Abänderung) an die Finanzabtheilung des Ministeriums. Nach Feststel- 
lung wird dieselbe 8 Tage lang durch den Gemeindevorstand öffentlich ausgelegt und die 
Einschätzung jedem Einzelnen zugefertigt. Reclamationen, welche die Finanzabtheilung 
endgültig entscheidet, sind binnen 3 Monaten zulässig. Reclamationen gegen Einschätzung 
Dritter kennt das Gesetz nicht. 
Der neuerliche Versuch, die Einkommen bis 300 Mark freizulassen, ist auf die Höhe 
des Steuertrags ohne Einfluß geblieben, indem er durch höhere, der Wahrheit näher- 
kommende — obwohl hinter derselben vielfach noch weit zurückbleibende — Einschätzung 
Ausgleich gefunden hat. 
Die Matricularbeiträge des Fürstenthums betrugen im Jahre 1882/83 
136 964 Mark, die Herauszahlungen des Reiches 132 030 Mark. Vom Jahre 1884 ab 
sollen die mit ca. 40 000 Mark zu erwartenden Jahresüberschüsse der letzteren über die 
Matricularbeiträge bis zur Höhe der Gebäudesteuer für die Dauer der nächsten Finanz- 
periode zu Gunsten der Bezirke oder Gemeinden angesammelt werden. 
Ein neues, unmittelbar unter der Finanzabtheilung stehendes, jedoch von einem be- 
sonderen Vorstand geleitetes Institut, die durch Gesetz vom 9. Juni 1883 unter Staats- 
garantie errichtete Landescreditkasse tritt mit 1. Janur 1884 in Wirksamkeit. 
Dieselbe giebt mit Amortisationszwang 4¼ prozentige Darlehn an Gemeinden und gegen 
doppeltes Unterpfand von Grundstücken, und beschafft die nöthigen Mittel durch Hinaus- 
gabe einer entsprechenden Höhe 4%itiger Obligationen au porteur. 
§ 11. Das Verhältniß des Staates zu Kirche und Schule. I. Im Jahre 1541 
auf dem Reichstrag zu Regensburg bekannte sich Graf Günther XL. nebst seinem Bruder 
Heinrich XXXIV. feierlich zur augsburgischen Confession. Seitdem ist das Haus Schwarzburg 
dem evangelischen Bekenntnisse unverändert treu geblieben. Das Landesgrundgesetz von 
1857 erklärt deshalb auch die evangelische Kirche als Landeskirche, in welcher der 
evangelisch-lutherische Fürst die bischöflichen Recht ausübt. Ihr gehören fast sämmtliche 
Einwohner des Fürstenthums an. Nach der letzten Volkszählung waren nur 412 Katho- 
liken, 212 Juden, 33 Mennoniten, Baptisten, Dissidenten 2c. vorhanden. Erstere bilden 
in der Unterherrschaft nicht besondere kirchliche Gemeinden, katholische Geistliche aus den 
benachbarten preußischen Orten verrichten den Gottesdienst in der ihnen bis auf Weiteres 
zur Verfügung gestellten protestantischen Kirche zu Sondershausen. In Arnstadt besteht 
eine besondere katholische Kirche und Schule. Die Juden sind durch Gesetz vom 3. Ja- 
nuar 1860 zu einer Synagogengemeinde vereinigt; die zur Erreichung des Zwecks einer 
solchen mit den Rechten juristischer Persönlichkeit versehenen Cultusverbands erforderlichen 
Bestimmungen sind nach diesem Gesetze mit wenigen Ausnahmen der Autonomie über- 
lassen, das Gesetz beschäftigt sich wesentlich mit der im öffentlichen Interesse vorgeschriebenen 
Vertretung der Gemeinde und dem Wirkungskreise der Verwaltungsorgane, ertheilt den 
Gemeinden die Befugniß, ihre Beiträge durch die öffentlichen Verwaltungsbehörden exe- 
cutivisch beitreiben zu lassen und hält sich bei Ordnung des staatlichen Aufsichtsrechtes
	        
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