172 Schambach, Das Staatsrecht des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen. 11.
von jeder Einmischung in innere Cultusangelegenheiten fern. Neuerdings ist von den
Juden in Arnstadt — jetzt 65 statt im Jahre 1860 1 — die Bildung einer zweiten Syna-
gogengemeinde beantragt worden. — Für die Dissidenten sind Cibvilstandsregister
durch Gesetz vom 1. März 1872 eingeführt.
Eine Kirchen verfassung ist nicht vorhanden, liegt auch bei der Kleinheit der
obwaltenden Verhältnisse, welche kaum die Schaffung der verschiedenen, mit einer Syno-
dalordnung verbundenen Organe gestatten würden, so viel bekannt nicht in der Absicht des
Kirchenregiments. Ebenso wenig ist im Fürstenthum die Trennung der Schule von der
Kirche vollzogen.
II. Ueber die Organisation der Kirchen= und Schulbehörden bestimmt das
Ges. v. 9. Dec. 1865 Folgendes:
Dem Ministerium, Abtheilung für Kirchen= und Schulsachen, ist als höchste unmit-
telbar unter dem Gesammtministerium stehende Instanz ein Kirchenrath aus einer
Anzahl vom Fürsten berufener Geistlichen beigeordnet.
Dessen Geschäftskreis umfaßt die rein geistlichen und kirchlichen Angegelenheiten,
insbesondere die Aufsicht über den Gottesdienst in dogmatischer und liturgischer Beziehung,
die Anordnung kirchlicher Feste, die Ertheilung von Dispensationen, die Prüfung und Ver-
wendung der Kandidaten des Predigtamts, die Aufsicht über die moralische und Amts-
Führung der Geistlichen, sowie die Einleitungen und Vorschläge wegen Anstellung, Be-
förderung, Versetzung, Emeritirung und Pensionirung der Geistlichen. Die Geschäftsbe-
handlung ist die collegialische, den Vorsitz führt mit dem Recht eines stimmführenden
Mitglieds der Vorstand der Ministerialabtheilung des Cultus, welcher alle inneren und
äußeren Angelegenheiten der Landeskirche überwiesen sind, soweit sie nicht zum Ressort
des Kirchenraths gehören. Zu den Sitzungen des Kirchenraths werden regelmäßig nur
die unterherrschaftlichen Mitglieder berufen, Plenarsitzungen finden nur in wichtigeren
Fällen statt. Für die meisten der wichtigeren Angelegenheiten ist noch die Entschließung
des Gesammtministeriums und bez. des Fürsten einzuholen.
Die nächst untergeordnete Instanz sind die für jeden Verwaltungsbezirk errichteten,
in den Personen des Landraths und Superindenten bestehenden, unter dem Vorsitz des
ersteren geleiteten Kirchen= und Schulinspektionen. Nur haben in unmittel-
barer Unterordnung unter den Kirchenrath die Superintendenten die nächste Auf-
sicht über den Gottesdienst in dogmatischer und liturgischer Beziehung und über den
kirchlichen Religionsunterricht allein zu führen, sowie auch die Ordination der Geistlichen
vorzunehmen. Die Kirchen= und Schulvisitationen hat der Superintendent in ständigem
Auftrag der Kirchen= und Schulinspektion, ebenso die Abhaltung der Conferenzen der
Geistlichen und Volksschullehrer des Bezirks.
Als unterste Instanz für Leitung und Beaufsichtigung der kirchlichen und Volks-
schul-Angelegenheiten fungiren die Orts-Kirchen= und Schulvorstände.
In jeder evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde ist unter dem Vorsitz des Geistlichen
ein Kirchen= und Schulvorstand aus dem bezw. den Ortsgeistlichen, dem Bürgermeister,
und zwei — in Städten vier — vom Gemeinderath auf 6 Jahre gewählten Mitgliedern,
eventuell auch dem Kirchenpatron zu errichten. Er ist berufen, das sittliche und religiöse
Leben sowie die Schulzucht in der Gemeinde zu überwachen, für Beaufsichtigung und Besse-
rung der bürgerlich Bestraften zu sorgen, übt die kirchliche Armen- und Krankenpflege,
überkommt das votum negativum, die Wahl der niederen Kirchendiener, die Verwaltung des
Kirchen-, Pfarr= und Schulvermögens, beaufsichtigt das Begräbnißwesen, vertritt die Kirchen-
und Schulgemeinde in allen Rechtsverhältnissen und sorgt für die Beschaffung der nöthigen
Mittel zur Befriedigung der Kirchen= und Schulbedürfnisse, eventuell unter Inanspruch-
nahme der subsidiär verpflichteten politischen Gemeinde. Der Genehmigung des Ministe-