88 3. 4. Behördenorganismus. — Die Staatsdiener. 179
schäfte zustehen 1), das Landrathsamt?). Gewisse Angelegenheiten aber sind dem Landes-
ausschuß ?) überwiesen, einer Körperschaft, welche aus dem Vorstand des Landrathsamts,
einem Vertreter der Fürstl. Kammer und 6 gewählten Vertretern der Gemeinden und
excommunalisirten Rittergüter besteht; derselbe führt insbesondere die unmittelbare Auf-
sicht über die Landgemeinden und hat u. A. gewisse Funktionen in Gewerbesachen (nament-
lich sind ihm die Geschäfte der „höheren Verwaltungsbehörde“ im Sinne der R. G.O.
übertragen), sowie bei Einschätzung der Einkommensteuern; auch ist er das geschäftsfüh-
rende und verwaltende Organ des Landarmenverbandes. Außerdem bestehen untere Ver-
waltungsstellen für Bauwesen, Sanitäts= und Veterinärwesen, Kataster= und Vermessungs-
wesen, Steuererhebung, Kassenverwaltung, Rechnungswesen u. s. w. — Mit der Ordi-
nation der Geistlichen und mit der unmittelbaren Aufsicht über dieselben sowie über die
städtischen Schulanstalten ist das dem Konsistorium unterstellte Ephorat betrautt für die
Beaufsichtigung der Landschulen sind besondere Inspektoren bestellt. —
Das Fürstenthum gehört zum Bezirk des gemeinschaftlichen Oberlandesgerichts Jena
und zu dessen 1. Schwurgerichtsbezirk (Gera). Greiz ist der Sitz eines Landgerichts mit
Staatsanwaltschaft, dessen Bezirk das ganze Land umfaßt. Die Amtsgerichte besorgen
neben den ihnen durch die Reichsprozeßordnungen zugewiesenen Geschäften auch die An-
gelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie gewisse Justizverwaltungsgeschäfte;
insbesondere führen sie die nächste Aufsicht über die Standesämter ). Die Notare sind
zur Beurkundung von Rechtsgeschäften aller Art befugt ).
§ 4. Die Staatsdiener. Die Anstellung der Staatsdiener ) erfolgt durch Dekret;
Anstellungsbehörde ist die Landesregierung bezw. das Konsistorium. Die Anstellung der
der nicht zu richterlichen Stellen berufenen Staatsdiener ist in der Regel ein Jahr lang
widerruflich, auch können Diener, deren Funktionen eine höhere wissenschaftliche Ausbil-
dung nicht voraussetzen, unter dem Vorbehalt vierteljähriger Aufkündigung angestellt
werden, welcher Vorbehalt jedoch nach zehnjähriger Dienstzeit erlischt. Die Staatsdiener
haben bei ihrer Anstellung den allgemeinen Staatsdienereid, die in ein Richteramt ein-
tretenden überdies den Richtereid zu leisten; sie dürfen ohne Genehmigung der Anstellungs-
behörde keinem Nebenerwerb nachgehen, bedürfen zu ihrer Verheirathung höherer Er-
laubniß, und können, jedoch mit Ausnahme der Richterbeamten, aus administrativen
Rücksichten zur Disposition gestellt werden.
Disciplinarstrafen sind: Verweis, Geldstrafe und Dienstentlassung, woneben gegen
Diener, deren Funktionen eine höhere Ausbildung nicht erheischen, auch Haft, zeitweilige
Suspension und Versetzung in eine niedrigere Stellung zur Anwendung kommen können.
Der Dienstentlassung und der Versetzung muß jedoch in weniger erheblichen Fällen ein
sog. Besserungsverfahren vorausgehen, und die erstere kann über akademisch gebildete Be-
amte in der Regel nur auf Grund disciplinargerichtlichen Urtheils nach vorgängigem
Verfahren verhängt werden.
Aktive Staatsdiener beziehen eine Besoldung, diejenigen, welche in Folge blei-
bender Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten sind, eine Pension, zur Disposition
gestellte, sowie solche, welche wegen Krankheit in zeitweisen Ruhestand versetzt sind, ein
Wartegeld. Die Pension beträgt je nach der Länge der Dienstzeit 5 bis ½, das
Wartegeld stets ½ der Besoldung. Die Wittwe und in Ermangelung einer solchen die
unversorgten noch nicht 18 Jahre alten Kinder eines verstorbenen Staatsdieners erhalten
ebenfalls eine Pension, welche bis zu ½ der Besoldung beträgt. Zu dem Pensionsfonds
haben die Staatsdiener jährlich 1 Prozent ihrer Besoldung beizusteuern.
1) G. v. 28./1 71. V. v. 14/4 71. 2) G. v. 1./9 68. 3) G. v. 25./1 71, v. 17./12. 74.
und v. 26.12 76. 4) G. v. 21./11 78. 5) Publ. v. 18./12 20. 6) G.G. v. 2./4 60, 12.03 64,
4./1 68, 27./7 70, 3./3 83.
12.