Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

8 6. Die Gemeindeverfassung. 181 
in gewissem Umfang zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit u. s. w.; 
auch haben sie durch ihre Vorstände die Regierung in Ausübung der Regierungsrechte 
z. B. bezüglich der Polizei, der Wehrhaftmachung, des Steuerwesens, innerhalb ihres örtlichen 
Bereiches zu unterstützen. 
Organe der Gemeinde sind die G. Versammlung und die G. Behörden. Die 
erstere, welche aus sämmtlichen stimmberechtigten G. Mitgliedern besteht, hat die G. Be— 
hörden zu wählen; außerdem wird sie nur bei besonders wichtigen Anlässen berufen. 
G. Behörden sind der G. Rath und der G. Vorstand. 
Der G.Rath besteht in Gemeinden bis zu 2000 Einwohnern aus 6, in stärker be- 
völkerten Gemeinden aus verhältnißmäßig mehr auf je 4 Jahre gewählten (unbesol- 
deten) Mitgliedern. Derselbe vertritt die volle Gemeinde in ihren Rechten und Ver- 
pflichtungen und beschließt nach Vorbereitung der einzelnen Verwaltungsgegenstände durch 
den G. Vorstand in regelmäßig öffentlicher Sitzung u. A. über den Haushaltplan der Ge- 
meinde, über die Beschaffung der für die G.Bedürfnisse nöthigen Mittel, über Erwerb 
und Veräußerung von Grundstücken und Gerechtsamen der Gemeinde, über einzuführende 
Ortsstatute, über Proceßführung der Gemeinde, über neue Anstalten und Einrichtungen 
für G. Zwecke u. s. w. Gemeinden unter 300 Einwohnern können übrigens durch Orts- 
statut die Befugnisse des G. Raths für gewisse Angelegenheiten der G. Versammlung vor- 
behalten oder auch von der Wahl eines G. Raths ganz absehen, in welchem Fall die den 
G. Rath betreffenden Vorschriften für die G. Versammlung gelten. 
Der G. Vorstand, welcher in der Regel auf 6 Jahre zu wählen ist, jedoch auch auf 
längere Zeit gewählt werden kann, und dessen Wahl in jedem Fall der Bestätigung der 
Aufsichtsbehörde bedarf, besteht in den Landgemeinden aus einem G. Vorsteher und einem 
Stellvertreter desselben, in den Städten aus einem ersten und einem zweiten Bürgermeister. 
Er steht an der Spitze der G. Verwaltung, hat die Beschlüsse des G. Raths bezw. der 
G. Versammlung zur Ausführung zu bringen, die G. Anstalten, sowie das G.Vermögen zu 
verwalten, die Ortspolizei auszuüben und die Gemeinde nach Außen zu vertreten. Haben 
der G. Rath oder die G.Versammlung etwas nach der Ueberzeugung des G. Vorstands 
außerhalb ihrer Befugnisse Liegendes oder Gesetzwidriges beschlossen, so hat er die Aus- 
führung des Beschlusses vorläufig zu versagen und die Entschließung der Aufsichtsbehörde 
einzuholen. Der G. Vorsteher bezw. erste Bürgermeister ist Syndikus der Gemeinde. In den 
Städten besorgen die beiden Bürgermeister die Geschäfte gemeinschaftlich, so jedoch, daß 
der erste Bürgermeister die Leitung und die entscheidende Stimme hat; der zweite führt 
vorzugsweise die nächste Aufsicht über die G.Güter und die wirthschaftlichen Anstalten, 
sowie über das gesammte Bauwesen. In jeder Gemeinde steht dem G. Vorstand ein 
Rechnungsführer zur Seite; außerdem werden ihm, wo nöthig, Schriftführer, sowie Be- 
zirksvorsteher und besondere Kommissionen für einzelne Angelegenheiten oder ganze Ge- 
schäftszweige beigegeben. 
Die Bedürfnisse der Gemeinde sind zunnächst durch den Abwurf des Gemeinde- 
vermögens, event. aber durch direkte Abgaben (G. Anlagen) aufzubringen, deren Betrag 
sich für jedes einzelne G. Mitglied, wo nicht ortsstatutarisch ein anderer Beitrags- 
modus festgesetzt ist, nach dem Verhältniß der von ihm entrichteten staatlichen Grund= und 
Einkommensteuer richtet. Indirekte Gemeindeabgaben dürfen nur ausnahmsweise und mit 
besonderer Genehmigung der Regierung erhoben werden. Die Aufnahme neuer Schulden 
zur Befriedigung von G. Bedürfnissen ist nur in besonders dringenden Fällen gestattet. 
Das Oberaussichtsrecht des Staates über die Verwaltung der G. Angelegenheiten 
wird für die Städte durch die Landesregierung, für die Landgemeinden durch den Landes- 
ausschuß (S. 179) ausgeübt. An diese sind alle Beschwerden und Berufungen in G.Ange- 
legenheiten zu richten; ihrer Genehmigung bedürfen insbesondere die Veräußerung von
	        
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