83. Die Landesvertretung. 191
Sitzungen sind öffentlich; durch besondern Beschluß kann die Oeffentlichkeit ausgeschlossen
werden; den Sitzuugen hat wenigstens ein Mitglied des Ministeriums oder ein Commissar
desselben beizuwohnen. Die Handlungs- und Redefreiheit der Abgeordneten war durch
besonderes Gesetz vom 18. Juni 1868 so garantirt, wie dies später in 8 11 des Reichs—
strafgesetzbuches geschehen ist.
Der Landtag wählt aus seiner Mitte einen Präsidenten, einen Vicepräsidenten und
einen Schriftführer; außerdem wählt derselbe zwei Abgeordnete, welche zusammen mit
dem Präsidenten den permanenten Landtagsausschuß bilden.
Die Abgeordneten beziehen Tagegelder.
Dem Fürsten steht das Recht zu, den Landtag einzubernfen und unter Angabe der
Gründe zu vertagen oder aufzulösen. Die Vertagung darf nur mit Zustimmung des
Landtags 30 Tage übersteigen oder während derselben Landtagsperiode wiederholt werden.
Nach Auflösung eines Landtags hat der Zusammentritt des nächsten nicht später als nach
60 Tagen zu erfolgen.
Dem Landtage stehen folgende Rechte zu:
Das Steuerbewilligungsrecht; die Mitwirkung bei der Ge-
setzgebung; das Recht des Gesetz vorschlags, der Beschwerde, der
Adresse, sowie der Anklage der Minister.
Die Etatsperioden sind dreijährig. Der Etat wird gemeinschaftlich mit der Regie-
rung festgesetzt. Steuern aller Art dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Land-
tags ausgeschrieben und nur auf solange erhoben werden, als sie bewilligt sind.
Die im Etat bewilligten Mittel sind nur ihrer Bestimmung gemäß zu verwenden.
Die jährlich zu legende Rechnung über Staatseinnahmen und Ausgaben unterliegt
der Prüfung und Monitur des Landtags. Die Aufnahme neuer Landesschulden bedarf
der Genehmigung des Landtags.
Die Gesetzgebung wird gemeinschaftlich durch den Fürsten und die Landesver-
tretung ausgeübt; es ist die Uebereinstimmung Beider zu jedem Gesetze erforderlich. In
dringenden Fällen erläßt der Fürst gesetzliche Verordnungen; diese sind jedoch dem näch-
sten Landtage zur nachträglichen Beschlußfassung vorzulegen und werden durch ablehnen.
den Beschluß (jedoch nicht rückwärts) ungültig.
Gesetzentwürfe werden in der Regel von der Regierung an die Volksvertretung
gebracht; dieselben können während der Diskussion zurückgezogen, dürfen aber in derselben
Landtagsperiode nur in veränderter Form wieder eingebracht werden. Die ständische Ab-
lehnung eines Gesetzvorschlages en bloc und Veränderungsanträge müssen die Angabe
der Bewegründe enthalten. Auch die Landesvertretung hat das Recht, Gesetzentwürfe
vorzulegen, sowie auf Abänderung oder Auphebung bestehender Gesetze anzutragen.
Der Fürst sanctionirt die Gesetze und läßt dieselben unter Bezugnahme auf die Zustim-
mung des Landtags publiciren. Die Publication der Gesetze erfolgt in der „Gesetzsamm-
lung für die Fürlich Reußischen Lande j. L“.
Beschwerden der Landesvertretung, welche auf Antrag von Abgeordneten oder
in Folge von Petitionen Dritter erfolgen, sollen von der Regierung genau untersucht
und es soll denselben, wenn sie begründet gefunden, abgeholfen werden. Auf Interpella-
tionen soll von der Regierung vollständige Auskunft ertheilt werden. Petitionen dürfen
nur durch Vermittelung des Landtagsdirektoriums oder eines Landtagsmitgliedes an den
Landtag gebracht werden.
Dem Landtagsausschuß steht es zu, die Rechte der Volksvertretung aufrecht
zu erhalten, die Ausführung der vom Fürsten und vom Langtage gefaßten Beschlüsse zu
überwachen, Anzeigen, Vorstellungen und Beschwerden bei der Staatsregierung anzubrin-
gen, unter Angabe der Gründe auf Zusammenberufung eines außerordentlichen Landtags