83. Die Staatsbehörden. 11
Eine bedeutsame Reorganisation der Staatsbehörden erfolgte in den Jahren 1849
und 1850. In dieser Zeit wurde die Trennung von Justiz und Verwaltung völlig durchgeführt,
die Gliederung der Behörden durch die Beseitigung der Mittelinstanzen wesentlich vereinfacht und
Elemente der Selbstverwaltung in das Staatsleben eingeführt. Eine Verordnung vom 25. Sep-
tember 1849 hob die Kammer, das Oberconsistorium, das Landschaftscollegium und die Landes-
direction auf und übertrug ihre Geschäfte dem Staatsministerium. Ein Gesetz vom 5. März 1850,
dem zwei Gesetze vom 18. und 23. März ergänzend zur Seite traten, regelten in eingehender Weise
die Organisation der Staatsbehörden. Die Landesregierungen, die Landräthe, die Justizämter in
ihrer Eigenschaft als Polizei= und Verwaltungsbehörden, die Patrimonialgerichte und die Criminal=
gerichte wurden beseitigt. Als Behörden für die Polizei und innere Verwaltung wurden Bezirks-
directoren eingesetzt, denen für die Ausübung gewisser Befugnisse aus gewählten Mitgliedern be-
stehende Bezirksausschüsse zur Seite traten. Als Organe der Finanzverwaltung sollten Rechnungs-
ämter fungiren. Die Ausübung der richterlichen Functionen wurde Justizämtern, denen ein Ju-
stizamtmann als Einzelrichter vorstand, collegialisch organisirten Kreisgerichten und einem Appel-
lationsgerichte übertragen. Der Wirkungskreis des Appellationsgerichtes zu Eisenach wurde durch
Staatsverträge zunächst auf die beiden schwarzburgischen Fürstenthümer, später auch auf die reußischen
Fürstenthümer und das Herzogthum Sachsen-Coburg-Gotha ausgedehnt. Als höchste richterliche
Instanz blieb das Oberappellationsgericht in Jena bestehen. Auch das Staatsministerium erfuhr
eine Reorganisation.
Die Gesetzgebung des Jahres 1850 ist die Grundlage für die Organisation der Verwal-
tungsbehörden bis zum heutigen Tage geblieben. Die Organisation der Gerichte hat
dagegen durch das Reichsgerichtsverfassungsgesetz eine wesentliche Umgestaltung erfahren.
II. Das Staatsministerium. An der Spitze der Staatsverwaltungs-
behörden steht das Staatsministerium. Dasselbe zerfällt in drei Departements:
1) Inneres einschließlich der Militärangelegenheiten, 2) Jusstiz und Cultus,
3) Finanzen. Die auswärtigen Angelegenheiten und die Angelegenheiten
des großherzoglichen Hauses werden nach jedesmaliger Bestimmung des Groß=
herzogs mit einem der drei Departements vereinigt. Jedem Departement steht ein De-
partementschef vor, dem die nöthige Anzahl von vortragenden Räthen beigegeben wird.
An der Spitze des Ministeriums steht ein Staatsminister, der zugleich Chef eines
Departements ist. Zur Berathung wichtiger Angelegenheiten vereinigen sich die Depar-
tementschefs zu einem collegialisch organisirten Gesammtministerium, in welchem der Staats-
minister den Vorsitz führt. Hier wird auch der größte Theil derjenigen Angelegenheiten,
welche der persönlichen Entschließung des Großherzogs unterliegen, und zwar in Anwesen-
heit des letzteren, berathen?).
Die Departementschefs sind als solche und als Mitglieder des Gesammtministe-
riums dem Landtage verantwortlich. Diese Verantwortlichkeit ist eine rechtliche und eine
politische. Der Landtag kann wegen der Amtsführung der Departementschefs Klage oder
Beschwerde erheben. Bei Rechtsverletzungen ist nach Ermessen des Landtages entweder
Klage oder Beschwerde, bei unzweckmäßigen Handlungen dagegen nur Beschwerde zulässig.
Die Beschwerde geht an den Großherzog und wird von diesem entschieden. Zur Ent-
scheidung über die Klage besteht ein Staatsgerichtshof, dem übrigens auch der
Großherzog die bei ihm angebrachten Beschwerden zur Aburtheilung überweisen kann.
Der Staatsgerichtshof hat seinen Sitz in Jena und setzt sich aus dem Präsidenten
des dortigen Oberlandesgerichtes und zwölf Räthen zusammen, welche zur Hälfte vom
Großherzog zur Hälfte vom Landtage gewählt werden. Die Klage gegen die Departe-
mentschefs dient einem doppelten Zwecke: sie soll die civilrechtliche Verantwortlichkeit
wegen Schädigungen der Staatskasse und die strafrechtliche wegen Verfassungs= und Ge-
setzesverletzungen realisiren. Das Urtheil des Staatsgerichtshofes kann demnach auf eine
vermögensrechtliche Leistung und auf Strafe lauten, daneben kann auf Dienstentsetzung
oder Dienstentlassung erkannt werden. Das Recht der Niederschlagung der Untersuchung
1) Ges. über die Neugestaltung der Staatsbehörden vom 5. März 1850 §5 55—64.