87. Der Landtag. 17
der Staatskassen zu prüfen, eine Befugniß, welche er durch den Rechnungsausschuß aus-
übt, der sich aus dem Landtagsvorstande und sechs vom Landtage aus seiner Mitte ge-
wählten Abgeordneten zusammensetzt !). Die Finanzperiode des Großherzogthums ist eine
dreijährige?).
Auf dem Gebiete der auswärtigen Angelegenheiten ist der Landtag
insoweit zu einer Mitwirkung berufen, als ohne seine Zustimmung keine Abtretung
von Staatsgebiet, wobei Staatsangehörige aus dem Staatsverbande treten, vorgenommen
werden darf?5).
II. Der Landtag hat endlich das Recht, dem Landesfürsten über Mängel und
Mißbräuche in Gesetzgebung und Verwaltung Vortrag zu thun, gegen das Staats-
ministerium und dessen einzelne Mitglieder Beschwerde und Klage zu erheben
und Petitionen aus der Bevölkerung anzunehmen!?).
Der Landtag besteht, wie sich bei dem Umfange des Staatsgebietes von selbst er-
giebt, aus einer Kammer. Sämmtliche Mitglieder desselben gehen aus Wahlen
hervor. Die Zusammensetzung des Landtages beruhete, wie schon oben erwähnt ist, nach
dem Grundgesetz vom 5. Mai 1816 auf einer ständischen Basis; die Zahl der Landtags-
mitglieder betrug 31. Durch das Wahlgesetz vom 17. November 1848 wurde diese Zahl
auf 41 erhöht, die ständische Zusammensetzung aufgegeben und ein allgemeines und directes
Wahlrecht der Staatsangehörigen eingeführt. Durch das Wahlgesetz vom 6. April 1852
ist die Zahl der Abgeordneten wieder auf 31 herabgesetzt worden. Von diesen 31 Ab-
geordneten wird einer durch die begüterte ehemalige Reichsritterschaft gewählt, vier
von denjenigen Grundbesitzern, deren Grundbesitzungen wenigstens 1000 Thaler jährlicher
Rente abwerfen, fünf von denjenigen Staatsangehörigen, welche aus andern Quellen
als Grundbesitz ein jährliches Einkommen von wenigstens 1000 Thalern beziehen; die
übrigen einundzwanzig gehen aus allgemeinen Wahlen hervor. Die drei
zuerst genannten Categorien von Wahlberechtigten wählen direct; bei den allgemeinen
Wahlen findet die Wahl durch Wahlmänner statt. Die Abstimmung ist in allen Fällen
eine geheime und erfolgt durch Stimmzettel. Die Wahlperiode des Landtages ist eine
dreijährige; dem Großherzog steht das Recht der Auflösung des Landtages zu?).
Die wesentlichsten Aenderungen, welche das Wahlgesetz vom 6. April 1852 gegen-
über dem vom 17. November 1848 vorgenommen hat, bestehen darin, daß es den aus
allgemeinen Wahlen hervorgehenden Abgeordneten noch besondere Vertreter einzelner Klassen
der Bevölkerung, namentlich der höher Besteuerten, hinzugefügt und daß es für die allge-
meinen Wahlen an die Stelle des directen das indirecte Wahlrecht gesetzt hat. Man
darf behaupten, daß die erste Aenderung sich praktisch durchaus bewährt hat. Gerade
die Wahlen der Hoöchstbesteuerten bieten eine verhältnißmäßig starke Gewähr dafür, daß
die nöthige Anzahl höher gebildeter Elemente im Landtag vertreten ist. Dagegen hat
die Einführung des indirecten Wahlsystems an Stelle des directen nach einer Richtung
hin entschieden ungünstig gewirkt. Das Verhalten der Bevölkerung gegenüber den Land-
tagswahlen ist ein außerordentlich indifferentes. In den größeren Städten, wo sich die
Betheiligung genauer feststellen läßt, üben durchschnittlich kaum 10 Procent der Wahlbe-
rechtigten ihr Stimmrecht aus. Mag dies auch zum Theil dem Umstande zuzuschreiben
sein, daß die Bedeutung des Landtages seit Gründung des deutschen Reiches wesentlich
abgenommen hat, #9 sprechen doch manche Anzeichen dafür, daß das geringe Interesse,
1) Rev. Gr. Ges. | 4 Nr. 3, 44.
2) Rev. Gr.’Ges. J 35.
3) Rev. Gr. Ges. 5 4 Nr. 7.
4) Rev. Gr.Ges. § 4 Nr. 4 und 5, § 46.
5) Rev. Gr. Ges. § 34.
Handbuch des Oeffentlichen Rechts. III. 2. U, 2