Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

18 Meyer, Das Staatsrecht des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach. 87. 
welches die Bevölkerung den Landtagswahlen entgegen bringt, zum Theil auf die indirecte 
Form des Wohlverfahrens zurückzuführen ist. 
III. Die Landtage sind theils ordentliche theils außerordentliche. Ordent- 
liche Landtage finden, da die Finanzperiode des Großherzogthums eine dreijährige ist, 
alle. drei Jahre und zwar regelmäßig im letzten Jahre der Finanzperiode statt; außerdem 
können nach Bedürfniß außerordentliche Landtage berufen werden !). Die Anordnung 
über die Zusammenberufung des Landtages ergeht durch ein großherzogliches Decret; die 
Einberufung der einzelnen Abgeordneten erfolgt durch den Landtagsvorstand ). Dem 
Großherzog steht das Recht zu, den Landtag zu schließen und zu vertagen; die Vertagung 
darf ohne Zustimmung des Landtages die Frist von 30 Tagen nicht überschreiten und 
während derselben Diüt nicht wieder eintreten 5). 
Der Landtag tritt bei jeder ordentlichen oder außerordentlichen Versammlung zu- 
nächst unter dem Vorsitz des ältesten Mitgliedes zusammen. Er wählt einen Präsidenten 
und zwei Vicepräsidenten. Diese bilden zusammen den Landtagsvorstand. Der 
Landtagsvorstand bleibt bis zum Beginn des nächsten ordentlichen oder außerordentlichen 
Landtages in Wirksamkeit, auch wenn inzwischen der Ablauf der Wahlperiode eingetreten 
ist oder eine Auflösung des Landtages stattgefunden hat. Dem Landtagsvorstande liegt 
die Einberufung der Landtagsabgeordneten, die Vorbereitung der Landtagsarbeiten und 
die Leitung der Landtagsverhandlungen ob; er hat während der Zeit, wo der Landtag 
nicht versammelt ist, über die Beobachtung der Verfassung und die Ausführung der von 
dem Landtage und Landesfürsten gefaßten Beschlüsse zu wachen, bei dem Großherzog 
Vorstellungen über Gegenstände der Staatsverwaltung und die Ausführung von Gesetzen 
zu erheben, sowie nöthigenfalls auf die Berufung eines außerordentlichen Landtages an- 
zutragen"). Die Protocollführung im Landtage und die Abfassung von Schriften sollte 
nach dem revidirten Grundgesetz einem vom Landtage angestellten Landtagssyndicus 
obliegen; durch Gesetz vom 27. März 1878 ist dieses Amt aufgehoben und die betreffenden 
Geschäfte sind durch die Geschäftsordnung vom 1. April 1878 theils den Schriftführern, 
welche der Landtag aus seiner Mitte erwählt, theils dem Secretariats= und Kanzleiper- 
sonal des Landtages übertragen worden. 
Die Sitzungen des Landtages sind öffentlich; es kann der Landtag jedoch auch 
zu vertraulichen Sitzungen zusammentretens). Zur Beschlußfähigkeit ist die An- 
wesenheit von zwei Dritteln der Abgeordneten nothwendig ). Bei der Berechnung dieser 
Zahl sind nur diejenigen Personen in Betracht zu ziehen, welche zur Zeit als Abgeordnete 
fungiren; die erledigten Mandate bleiben außer Berechnung. Die näheren Bestimmungen 
über die geschäftliche Behandlung der Vorlagen im Landtage enthält die Geschäfts- 
ordnung vom 1. April 1878. Diese ist kein Ausfluß der Autonomie des Landtages, 
sondern hat den Charakter eines Landesgesetzes, kann also auch nur auf dem Wege der 
Gesetzgebung abgeändert oder modificirt werden. 
IV. Diepersönlichen Verhältnisse der Landtagsabgeordneten sind durchaus 
denjenigen Grundsätzen entsprechend geordnet, welche im constitutionellen Staatsrecht 
überhaupt und speziell im deutschen Staatsrecht als maßgebend erscheinen. Der Grund- 
satz, daß die Abgeordneten Vertreter aller Staatsbürger und an Aufträge 
und Instructionen nicht gebunden sind, ist ausdrücklich anerkannt ). — Die Unver- 
1) Rev. Gr.Ges. § 6. 
2) Rev. Gr. Ges. 5 14, 26. 
3) Rev. Gr Ges. 5 34. 
4) Rev. Gr. Ges. 5 8—12, 14. 
5) Rev. Gr. Ges. 5 13. Gesch. Ordn. vom 1. Apr. 1878 § 23. 
6) Rev. Gr. Ges. 5 13. 
7) Rev. Gr. Ges. § 17.
	        
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