§ 2. Das Staatsoberhaupt. 33
einigen sich alle Zweige der obersten Staatsgewalt. In der Ausübung seiner daraus
entspringenden Rechte wird er — entsprechend dem Wesen des constitutionell-monarchischen
Systems — beschränkt durch die Verfassung, deren Beobachtung, Aufrechterhaltung und
Schützung er bei dem Regierungsantritt bei fürstlichen Worten und Ehren anzugeloben
hat. Er ist über alle persönliche Verantwortlichkeit erhaben; alle seine Regierungshand-
lungen müssen jedoch unter persönlicher Verantwortlichkeit eines Staatsbeamten ergehen,
welcher solche durch die Gegenzeichnung der vom Herzog vollzogenen Erlasse übernimmt.
Die Unverantwortlichkeit des Regenten erstreckt sich auch auf etwaige Handlungen
desselben, welche den Strafgesetzen zuwiderlaufen; dagegen ist er in Betreff seiner dem
Gebiete des Vermögensrechtes angehörenden Handlungen den Landesgesetzen unterworfen;
er hat, ebenso wie die übrigen Mitglieder der herzoglichen Familie, seinen Gerichtsstand
bei dem Landgericht Meiningen.
Hinsichtlich der Regierungsrechte des Herzogs ist im Einzelnen Folgendes
hervorzuheben:
Die gesetzgebende Gewalt wird von ihm in Gemeinschaft mit der Landes-
vertretung (§ 7) und insoweit es sich um Gesetze über das Kirchenwesen handelt, in Ge-
meinschaft mit der Landessynode und bezw. der Landesvertretung (§ 12) ausgeübt.
Die richterliche Gewalt geht von dem Herzog aus; die Organe für die Aus-
übung derselben sind die Gerichte. Der Lauf der Justiz darf nicht gehemmt werden.
In Betreff der dem Civilrecht angehörigen Rechtssachen gilt diese Bestimmung der Verf.=
Urk. unbeschränkt. In Strassachen ist sie eingeschränkt durch die dem Staatsoberhaupt
zustehende, mit Recht nur in ganz besonderen Ausnahmefällen geübte, in dem Begnadi-
gungsrecht im w. S. enthaltene Befugniß zur Abolition. In Betreff der Begnadi-
gungen im e. S. bestimmt die Verf.-Urk., daß dadurch Niemand gehindert wird, seine
aus einer strafbaren Handlung entstandenen Privatansprüche gerichtlich zu verfolgen, und
daß ein auf Anklage der Landesvertretung seines Amtes entsetzter Beamter zwar hin-
sichtlich der ausgesprochenen Strafe begnadigt werden, aber weder im Staatsdienste
bleiben, noch aus der Staatskasse eine Pension erhalten darf.
Auch bei der Ausübung der Regierungsgewalt im engeren Sinn ist der
Herzog mittelbar an die Beobachtung der bestehenden Gesetze gebunden, sowohl wegen
des von ihm auf die Verfassung abgeleisteten Eides als deshalb, weil der seine Erlasse
gegenzeichnende, auf die Beobachtung der Gesetze vereidigte Beamte die Verantwortlichkeit
dafür zu übernehmen hat.
Der unmittelbaren Genehmigung des Herzogs sind ausdrücklich vor-
behalten:
alle Akte der Gesetzgebung, alle Verordnungen und Verwaltungsnormen, die Ein-
berufung, Vertagung und Auflösung des Landtags, sowie alle Propositionen für denselben,
die Angelegenheiten des herzoglichen Hauses, des Reichs und die auswärtigen Angelegen-
heiten, die Ernennung, Quiescirung und Pensionirung der meisten Staatsbeamten, der
Lehrer an den höheren Schulen, der zu einem Seelsorgeramt berufenen Kirchendiener, die
Verwilligung von Besoldungen, Besoldungszulagen und Remunerationen an diese Diener,
die Feststellung aller Staatshaushaltsetats und die Nachverwilligung aus dem Reserve-
fonds, Begnadigungen in Strafsachen, Gnadengeschenke und außerordentliche Unter-
stützungen, Veräußerungen von Bestandtheilen des Domänengutes, jede Annahme und
Veränderung von Stiftungen für religiöse und Schulzwecke, die Verleihung des Rechtes
der Persönlichkeit, überhaupt aller Privilegien und die Einführung neuer indirekter Ab-
gaben in den Gemeinden.
Der Herzog führt in Gemäßheit eines von den sämmtlichen regierenden Herzogen
zu Sachsen am 3. April 1844 gefaßten Hausbeschlusses das Prädicat Hoheit; das
Handbuch des Oeffentlichen Rechts. III. 2. U. 3