42 Kircher, Das Staatsrecht des Herzogthums Sachsen-Meiningen. 85.
seine Thätigkeit beanspruchenden Amtes oder Dienstes gegen festen Gehalt übertragen, so
werden im Zweifel, und soweit nicht der in der directen Unterordnung der Hofdiener
unter den Willen des Herzogs begründete Unterschied der Stellung der Hofdiener von
derjenigen der Civilstaatsdiener im einzelnen Falle eine Ausnahme bedingt, die oben dar-
gestellten Grunsätze über Suspension und Dienstentlassung der in der Verwaltung ange-
stellten Staatsbeamten auf die Hofdiener analoge Anwendung finden. Mit der gleichen
Beschränkung sind die für die Pensionirung und Zurdispositionsstellung der Civilstaats-
diener bestehende Vorschriften auf die Hofdiener für analog anwendbar zu erachten, inso-
weit die Anstellungsdecrete keine abweichende Bestimmung enthalten.
§ 5. Die Staatsangehörigen. Der Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit
richtet sich nach den Vorschriften des Reichsges. v. 1. Juni 1870. Hinsichtlich der in dem
Staatsbürgerrecht enthaltenen Befugnisse und damit verbundenen Verpflichtungen ist nur
Folgendes zu bemerken:
I. Das Vereinsrecht und das Versammlungsrecht entbehren der genaueren gesetzlichen
Regelung. Abgesehen von den in der Reichsgesetzgebung enthaltenen Normen über die
Vereinigungen zu wirthschaftlichen Zwecken kommt hinsichtlich des Vereinsrechtes
nur die Bestimmung der V. U. in Betracht, wonach es den Unterthanen nicht verwehrt ist,
zu an sich nicht gesetzwidrigen Zwecken Gesellschaften zu stiften; das Recht der juristischen
Persönlichkeit, die Befugniß zum Grunderwerb, zur Errichtung von Statuten und zur
Bestellung von Beamten wird nur durch besondere Bewilligung Seitens der Regierung
erlangt. — Diese Vorschriften haben durch den im Herzogthum zur Wissenschaft und Nach-
achtung publicirten Bundesbeschluß v. 13. Juli 1854 keine Aenderung erlitten; die Bil-
dung politischer Vereine ist wenigstens seit dem Bestehen des Nordd. Bundes thatsächlich
nicht gehindert worden.
Ueber das Versammlungsrecht existirt nur eine der neueren Zeit angehörige
Minist.-Verordnung, nach welcher jede öffentliche Versammlung zu politischen oder social-
politischen Zwecken spätestens am Tage vor dem Zusammentritt dem Landrath und Orts-
vorstand anzumelden ist. Diese, sowie die dieselben begleitenden oder von ihnen abgesandten
Beamten müssen Zutritt zu der Versammlung erhalten und sind befugt, Anordnungen zur
Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung zu treffen, bewaffnete oder noch nicht volljährige und
— wenn Wahlversammlungen in Frage stehen — nicht im wahlfähigen Alter stehende Per-
sonen aus der Versammlung auszuweisen und nach Befinden die Versammlung aufzulösen.
Die Bekenntnißfreiheit erkannte schon die V. U. insofern an, als nach der-
selben neben der als Landeskirche bezeichneten evangelischen Kirche auch alle anderen Kirchen
den Schutz des Staates und volle Gewissensfreiheit unter der Bedingung genießen, daß
sie sich den Gesetzen und Ordnungen des Staates fügen.
Der Austritt aus der Landes= oder einer andern anerkannten christlichen Kirche,
sowie aus der israelitischen und jeder andern mit Corporationsrechten versehenen Religions-
gesellschaft kann nach dem Dissidentenges. v. 7. Dec. 1878 erst nach zurückgelegtem 21. Le-
bensjahre durch eine vor dem Landrath oder dem Magistrat (Bürgermeisteramt) persönlich
abzugebende desfallsige Erklärung erfolgen. Der Aufnahme dieser Erklärung muß ein hierauf
gerichteter Antrag vorausgehen, welcher dem Vorstand der Kirchengemeinde bezw. Religions-
Gesellschaft zur Veranlassung des Weiteren in seelsorgerischer Beziehung mitzutheilen ist.
Die aus der Kirche Ausgetretenen können eine besondere Religions-Gesellschaft
bilden und sind, wenn sie der Minist.-Abtheilung für Kirchen- und Schulensachen den Nach-
weis erbracht haben, daß ihre Religions-Grundsätze und Gebräuche nicht gegen die bürger-
liche Ordnung und Sicherheit verstoßen, sowohl zur gemeinsamen häuslichen, als zur
öffentlichen Religionsausübung (bei Beerdigungen) befugt. Corporationsrechte erlangen sie
nur durch besondere Verleihung.