Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

86. Die Gemeinden und Kreise. 45 
kann dann auf länger, auch auf Lebenszeit erfolgen; die Mitglieder des Gemeinderathes 
werden in der Regel auf 6 Jahre gewählt. 
Die Competenz der Schultheißen und Ausschüsse in den Landgemeinden ist 
analog derjenigen der Bürgermeister und Gemeinderäthe in den Städten, doch ist der 
vollen, d. h. aus sämmtlichen stimmberechtigten Gemeindemitgliedern bestehenden Gemeinde 
die Fassung der Beschlüsse über Aufnahme neuer Mitglieder, Veräußerung unbeweglicher 
Gemeindegüter und nutzbarer Rechte, Erhebung von Umlagen und Vermehrung der Schulden 
überwiesen, wie ihr auch die Wahl der Ausschaßmitglieder und die Abhörung der Gemeinde- 
rechnung zusteht; die Justification der letzteren erfolgt durch den Landrath. — Die Sitz- 
ungen der Gemeinderäthe und Ausschüsse sind öffentlich. — Hervorzuheben ist noch, daß 
in den Landgemeinden die Berechnung der zu den Beschlüssen der vollen Gemeinde und 
bei Gemeindewahlen erforderlichen Zahl von Stimmen nach der bei der Vertheilung der 
Gemeindelasten maßgebenden oberwähnten direkten Steuern zu bemessen ist, so daß der- 
jenige, welcher nach der Steuerrolle bis zu 15 Mark jährlich Steuern entrichtet, Eine 
Stimme hat und daß für weitere je 15 Mark je eine Stimme berechnet wird; doch kann 
Niemand mehr als den vierten Theil sämmtlicher Stimmen auf sich vereinigen. In den 
Städten, wo überhaupt die Gesammtheit der Bürger nur bei den Wahlen activ wird, 
hat jeder selbstständige Bürger eine Stimme. — Die passive Wahlfähigkeit als Mitglied 
des Gemeinderathes oder Gemeindeausschusses setzt den Besitz des Bürger= oder Nach- 
barrechtes, 25jähriges Alter und Unbescholtenheit voraus. — 
Das Gemeinderecht (in Städten und Landgemeinden) wird erworben durch Auf- 
nahme und durch Anstellung im unmittelbaren Staats-, Kirchen= und Schuldienst. Es 
geht verloren durch den Verlust des Unterthanenrechts (Auswanderung), durch Aufnahme 
in einen anderen Gemeindeverband und bei öffentlich Angestellten durch Versetzung an einen 
anderen Ort. 
II. Kreise. Zur Wahrnehmung gewisser gemeinsamer Angelegenheiten ist die 
Gesammtheit der Gemeinden eines jeden der vier Kreise des Herzogsthum unter dem 
Namen Kreisgemeinde als ein besonderer Organismus mit corporativen Rechten geschaffen 
worden. Vertreten wird die Kreisgemeinde durch den Kreisausschuß, bestehend aus dem 
Kreisvorstand (Landrath) als Vorsitzendem und aus den gewählten Mitgliedern. Die in 
dem Kreise befindlichen Städte entsenden auf je 3000 Einwohner, die Landgemeinden auf 
je 4000 Einwohner je ein Mitglied in den Kreisausschuß; die Wahl erfolgt in den 
Städten durch die Gemeinderäthe, in den Landgemeinden durch die von den Gemeinde- 
ausschüssen gewählten Wahlmänner unter Leitung des Landrathes auf je drei Jahre. 
Die passive Wahlfähigkeit ist gerade so geregelt, wie für die Wahlen zu den Gemeinde- 
räthen bezw. -Ausschüssen. 
Die Kreisausschüsse haben die Befugniß, von der ganzen Kreisverwaltung Kenntniß 
zu nehmen und geeignete hierauf bezügliche Anträge zu stellen; ihr besonderer Beruf be- 
steht aber in der Vertretung der Kreisgemeinde in allen gemeinsamen, vom Gesetz als 
solche bezeichneten Unternehmungen: Kreisstraßen, Armen= und Arbeitsanstalten, Waisen- 
häuser, Leih= und Sparkassen, Institute zur Förderung der Landwirthschaft, der Gewerbe 
und des Handels. — Der Entscheidung der Kreisausschüsse unterliegen die Etatsfest- 
stellung und die Genehmigung etwaiger Etatsüberschreitungen, die Justification der Rech- 
nungen, die Einführung und Erhebungsweise der Kreisumlagen, Kreisanleihen, Erhebung 
indirekter Abgaben für die Kreiskasse, alle durch Landes= oder Reichsgesetzgebung für 
Kreislasten erklärten oder der Beschlußfassung durch die Kreisausschüsse überhaupt zuge- 
wiesene Angelegenheiten, die Wahlen für verschiedene öffentliche Ehrenämter. An den 
Beschlüssen darf der Vorsitzende nicht Theil nehmen. Sie bedürfen der Genehmigung 
der Ministerabtheilung des Innern, insofern sie die Aufnahme von Kreisanleihen oder
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.