87. Der Landtag. 47
sich sein Wohnsitz befindet. Außerdem sind noch vier Abgeordnete von den höchstbe—
steuerten Grundbesitzern (die wenigstens 60 Mark an Grund- und Gebäudesteuern zahlen)
und zwar in je zwei Kreisen je zwei, ferner vier Abgeordnete von den Einkommensteuer—
pflichtigen bezw. denen, die andere directe Personalsteuer in einer den jeweiligen Mindest—
betrag der Einkommensteuer erreichenden Höhe zahlen, (in jedem der 4 Kreise je einer)
zu wählen. Jeder Wahlberechtigte darf nur in einer Klasse wählen, und nach dem
Wortlaute des Gesetzes sollen nur diejenigen, welche nicht zu den höchstbesteuerten Grund—
besitzern oder Einkommensteuerpflichtigen gehören, an der allgemeinen Wahl Theil nehmen.
Letztere Bestimmung hat aber durch das mit Zustimmung des Landtages erlassene Wahl—
reglement vom 21. Mai 1875 eine Aenderung erlitten, insofern es danach jedem an sich
in mehreren Klassen zum Wählen Berechtigten freisteht, in welcher Klasse er wählen will;
natürlich darf er aber nur in einer derselben sein Wahlrecht ausüben.
Die Voraussetzungen des passiven Wahlrechts entsprechen vollständig den desfallsigen
Bestimmungen des Reichswahlgesetzes vom 31. Mai 1869.
Prinzen des Herzoglichen Hauses, Staats= und Hofdiener, Geistliche und Lehrer
bedürfen zur Annahme der Wahl der landesherrlichen Genehmigung, die jedoch nur aus
überwiegenden dienstlichen Gründen, welche dem Landtag auf Antrag eingehend mitge-
theilt werden sollen, zu versagen ist.
Die Wahl der Abgeordneten erfolgt auf sechs Jahre. Nach einer Auflösung des
Landtags müssen sofort neue Wahlen ausgeschrieben werden.
III. Als politische Rechte des Landtages sind folgende zu bezeichnen:
1. Die Feststellung der Etats der Landes= und der Domänenkasse und die Be-
willigung der zur Bestreitung der Ausgaben erforderlichen Mittel. Es dürfen ohne Zu-
stimmung des Landtages keine neuen Steuern oder solche, deren Verwilligung
ab gelaufen ist, ausgeschrieben werden. Jedoch findet die Forterhebung auch der-
jenigen Steuern, deren Verwilligung abgelaufen ist, bis zu dem verfassungsmäßigen
nächsten Zusammentritt des Landtages, und nach Eröffnung des Landtags bis zur Ver-
einbarung des neuen Etats statt, vorausgesetzt, daß dies nicht ausdrücklich bei der Ver-
willigung ausgeschlossen war. (Die Einberufung des Landtages soll nach der Verf.-Urk.
regelmäßig alle 3 Jahre und außerdem so oft nöthig stattfinden; thatsächlich wird der
Landtag jährlich mindestens einmal zusammenberufen.) 2. die Prüfung und Genehmigung
der Staatsrechnungen; 3. die Zustimmung zu Erwerbungen und freiwilligen Veräußerungen
von Staats= und Domänenvermögen; 4. Beirath und Zustimmung zu Gesetzen, durch welche
nicht blos die organischen Einrichtungen der Behörden und die Form der Geschäftsführung
bestimmt, sondern wodurch Eigenthum und Freiheit der Unterthanen getroffen oder eine
Veränderung der Abgaben und Rechte herbeigeführt wird; 5. Anträge zum Zweck der
Vervollkommnung der Gesetzgebung; 6. Anzeige von Mißbräuchen in der Verwaltung;
7. das Recht der Anklage gegen Staatsdiener wegen Verletzung der Verfassung (eine
solche ist bei dem Oberlandesgericht anzubringen und darüber in erster Instanz bei dem
von diesem zu committirenden inländischen Landgericht, in zweiter Instanz von dem
Oberlandesgericht zu entscheiden); 8. das Recht der Wahl zweier Mitglieder und des
Kassirers der Staatsschuldentilgungscommission; 9. das durch das landschaftliche Di-
rectorium d. i. den Präsidenten und die beiden Vicepräsidenten auszuübende Recht, zu
jeder Zeit Kenntniß von dem Zustande des Staatshaushaltes und von der Lage und
Geschäftsführung der Hauptkasse, der Staatsschuldentilgungscommission und der Landes-
creditkasse zu nehmen.
IV. Hinsichtlich der Collegialrechte des Landtages ist zu erwähnen, daß
demselben die Prüfung und Gültigkeitserklärung der Wahlen, ferner die Wahl des Präsi-
denten und der beiden Vicepräsidenten zusteht, die jedoch der Genehmigung des Herzogs