48 Kircher, Das Staatsrecht des Herzogthums Sachsen-Meiningen. 88 8. 9.
bedarf; der Landtag kann ferner die in Gesetzesform erlassene Geschäftsordnung einseitig
abändern, insoweit durch die Abänderungen die Rechte des Landesherrn, des Landtags
und der Regierungscommissare nicht berührt werden.
Die Landtagsmitglieder können nach der Verf.-Urk. wegen ihrer Aeußerungen in
den Landtagssitzungen nicht zur gerichtlichen Rechenschaft gezogen werden. Im Uebrigen
soll der Lauf der Justiz gegen sie nicht gehemmt, sie sollen aber während ihrer Anwesen-
heit im Landtag nicht zum persönlichen Erscheinen in bürgerlichen Rechts= und in Polizei-
sachen vorgeladen werden. Die Landtagsabgeordneten haben gesetzlichen Anspruch auf
Tagegelder und auf Ersatz der Reisekosten. Die Tagegelder betragen neun Mark, für die
in Meiningen wohnenden Abgeordneten die Hälfte hiervon.
Aus der Geschäftsordnung ist noch hervorzuheben, daß die Wahl des Präsidenten
und der Vicepräsidenten bei Beginn der sechsjährigen Landtagsdiät auf die ganze
Dauer derselben erfolgt und nur die Schriftführer bei Beginn jeder Session neu ge-
wählt werden; die Sitzungen des Landtages sind öffentlich, können jedoch in einzelnen
Fällen auf Antrag eines landesherrlichen Commissars oder des Präsidenten oder
von drei Mitgliedern in geheime übergehen. — Zur Beschlußfähigkeit des Landtags ist
die Anwesenheit von mindestens zwei Drittheilen seiner Mitglieder nöthig. Die ein-
gehenden Vorlagen sollen in der Regel an Ausschüsse verwiesen, können aber auch zur
sofortigen Verhandlung gestellt werden. Die Abstimmungen erfolgen in der Regel sofort
nach Schluß der Berathung; es entscheidet einfache Stimmenmehrheit; bei Stimmengleich-
heit gilt die gestellte Frage als abgelehnt. Gegen den Ordnungsruf des Präsidenten
steht dem betr. Abgeordneten das Recht des schriftlichen Einspruchs zu, über welchen der
Landtag in der nächsten Sitzung ohne Discussion Beschluß faßt. Wenn in Folge von
Verstößen gegen die Ordnung die Discussion einen leidenschaftlichen Charakter annimmt,
so kann der Präsident nach vorheriger Erinnerung die Sitzung sofort schließen. Verletzt
ein Mitglied des Staatsministeriums die Ordnung, so steht dem Landtag daneben noch
das Recht der Beschwerdeführung bei dem Herzog zu.
Dritter Abschnitt.
Die staatlichen Tunktionen.
§ . Von der Gesetzgebung. Ueber die Frage, welche allgemein rechtsverbindlichen
Vorschriften auf dem Wege der Gesetzgebung, also durch Zusammenwirken von Regierung
und Landtag bezw. Synode erlassen werden müssen, und welche auf dem Verordnungs-
wege gegeben werden können, bestehen nur die in § 7 Ziff. III. 4 und in § 12 ersicht-
lichen Bestimmungen; die Schranken, welche die Reichsgesetzgebung der Particularge-
setzgebung gezogen hat, sind hier nicht zu erörtern, und die particularrechtlichen Vorschriften
über die Publication der Gesetze und Verordnungen bieten keine Eigenthümlichkeiten.
g 9. Die Justiz. Mit Rücksicht darauf, daß die Organisation und Zuständigkeit
der Gerichte, sowie das Verfahren bei Ausübung der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit
durch die Reichsgesetzgebung geregelt worden ist, ist hier nur Folgendes hervorzuheben:
I. Die Gerichte. a)) Da im Herzogthum keine besonderen Behörden für die
Entscheidung von Competenzstreitigkeiten zwischen den Gerichten und Verwaltungsbehörden
bestehen, so entscheiden die Gerichte nach § 17 des Gerichtsverf.-Ges. über die Zu-