Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

50 Kircher, Das Staatsrecht des Herzogthums Sachsen-Meiningen. 810. 
Zustimmung der übrigen, bei den Gerichten betheiligten Staaten erhalten. Die Kosten 
der Unterhaltung eines jeden der beiden Landgerichte werden, soweit seine eigenen Ein— 
nahmen (einschließlich der in seine Kasse fließenden Staatssteuern seiner Beamten) hierzu 
nicht ausreichen, von den betheiligten Staaten nach dem Verhältniß der Bevölkerungszahl 
der zugehörigen Bezirke getragen. 
e) Die nicht streitige (hier sog. freiwillige) Gerichtsbarkeit gehört zur 
Competenz der Amtsgerichte. Zur Aufnahme von Akten der nicht streitigen Gerichtsbar- 
keit berechtigte Notare kennt die Gesetzgebung des Herzogthums nicht; es besteht nur 
das Institut der aus der Zahl der Rechtsanwälte durch Herzogliches Decret ernannten 
Beglaubigungsnotarez: ihre Befugniß erstreckt sich ausschließlich auf die Be- 
glaubigung von Abschriften und Unterzeichnungen von Urkunden, auf die Ausstellung von 
Zeugnissen über das Leben einer Person und auf die Aufnahme von Wechselprotesten. 
II. Die Justizverwaltung einschließlich der Aufsicht über sämmtliche Ge- 
richte und Staatsanwaltschaften des Herzogthums steht der Justizabtheilung des Staats- 
ministeriums zu; die Organe desselben bei Ausübung der Justizverwaltung sind die Vor- 
stände der Gerichte und der Staatsanwaltschaft. In dem die Ausführungsbestimmungen 
zu dem Gerichtsverfassungsgesetze enthaltenden Particulargesetze und in den über die Er- 
richtung der gemeinschaftlichen Gerichte (O.L.Gericht und Landgerichte, abgeschlossenen Staats- 
verträgen ist festgesetzt, von wem bei den einzelnen Gerichten und bei der Staatsanwalt- 
schaft die Aufsicht zu führen ist). 
III. Ueber das Gefängnißwesen, dessen Beaussichtigung gleichfalls der Justiz- 
abtheilung des Staatsministeriums untersteht, sind keine gesetzlichen, sondern nur regle- 
mentäre Vorschriften vorhanden. Zu erwähnen ist, daß auf Grund eines zwischen dem 
Großherzogthum Sachsen-Weimar und den drei Sächsischen Herzogthümern, dem Fürsten- 
thum Schwarzburg-Sondershausen und den beiden Reußischen Fürstenthümern im Jahre 1877 
abgeschlossenen, vor dem 1. Juli 1925 nicht kündbaren Vertrages alle in diesen Staaten 
zu vollstreckenden Zuchthausstrafen, die mindestens drei Monate dauernden Gefängnißstrafen 
und die nach § 57 des St. G. B. gegen jugendliche Verbrecher auszusprechenden Gefängniß- 
strafen von wenigstens sechs Wochen in gemeinschaftlichen Strafanstalten und zwar die 
Zuchthausstrafen in Maßfeld, Tonna und Hassenberg und die Gefängnißstrafen in Ichters- 
hausen zu verbüßen sind. 
§ 10. Die Verwaltung 1). I. Allgemeine Bemerkungen. In den Ver- 
waltungssachen findet, insoweit nicht Specialgesetze abweichende Vorschriften enthalten, gegen 
die Verfügungen der unteren Verwaltungsbehörden Recurs an die denselben in der betreffen- 
den Sache vorgesetzte Minist.-Abtheilung und gegen deren Entscheidung Oberrecurs an das 
Staatsministerium statt. Als zulässig ist ein Recurs nach dem Competenzedikt zu be- 
trachten, wenn der Recurrent behauptet, daß ihm durch eine unnöthige und unzweckmäßige 
Anordnung Nachtheil zugefügt werde. Die Einwendung dieser Rechtsmittel ist — abge- 
sehen von den in mehreren Specialgesetzen enthaltenen Vorschriften — an keine bestimmte 
Frist gebunden. 
Den Verwaltungsbehörden steht das Recht zu, den von ihnen innerhalb ihrer Com- 
petenz erlassenen Anordnungen durch Androhung von Strafen Nachdruck zu geben. — 
Die Minist.-Abth. des Innern als Nachfolgerin der früheren Landesregierung ist insbe- 
sondere befugt, zur Aufrechterhaltung polizeilicher oder sonstiger administrativer Zwecke 
Strafreglements mit Androhung von Geldstrafen bis Mk. 85,50 Pf. (= 50 fl.) und Haft- 
1) Die Darstellung hat sich abgesehen von einigen Grundsätzen genereller Natur nur auf die 
innere Verwaltung und auf die Finanzverwaltung zu beschränken, weil die auswärtigen 
Angelegenheiten fast ausschließlich Sache des Reiches sind und die Militärverwaltung in Folge der 
von der Krone Preußen mit den Thüringischen Staaten abgeschlossenen Militärconvention vom 
15. Sept. 1873 im Wesentlichen auf Preußen übergegangen ist.
	        
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