54 Kircher, Das Staatsrecht des Herzogthums Sachsen-Meiningen. 8 10.
gemeinschaftliche Universität Jena ). Die beiden Gymnasien und Realgymnasien (früher
Realschulen I. Ordnung genannt) sind Staatsanstalten; ihre Organisation und Ziele ent-
sprechen ganz denen der gleichgearteten preußischen Schulanstalten. Die Volksschullehrer
erhalten ihre Ausbildung in dem Landesschullehrerseminar. Das Volksschul wesen
ist durch das Gesetz vom 22. März 1875 geregelt; von allgemeinerem Interesse dürften
die folgenden Bestimmungen desselben sein:
Für alle sich im Herzothum dauernd aufhaltenden Kinder, welche dis zum 30. Juni eines
Jahres das 6. Lebensjahr zurücklegen, besteht die Verpflichtung, von Ostern dieses Jahres bis
zu Ostern desjenigen Jahres, in welchem sie vor dem 30. Juni das 14. Lebensjahr zurücklegen,
die Volksschule zu besuchen, wenn sie nicht anderweit ausreichenden Unterricht nach näherer Be-
stimmung des Gesetzes erhalten. Als Aufgabe der Volksschule wird es bezeichnet, ihren Zög-
lingen unter sorfältiger Berücksichtigung des körperlicheu Gedeihens die Grundlagen religös-sitt-
licher und nationaler Bildung und die für das bürgerliche Leben nothwendigen allgemeinen
Kenntnisse und Fertigkeiten zu gewähren; das Gesetz normirt die unerläßlichen Unterrichtsgegen-
stände, und setzt die regelmäßige wöchentliche Stundenzahl auf 32 fest. Die Zahl der gleichzeitig
und zusammen in einer Klasse zu unterrichtenden Kinder darf in der Regel 60 nicht übersteigen. —
Den anerkannten Religionsgemeinden ist es gestattet, neben der gemeinschaftlichen Ortsschule auf
ihre alleinigen Kosten eine eigene (konfessionelle) Volksschule zu halten, auf welche jedoch die all-
gemeinen gesetzlichen Bestimmungen auch Anwendung finden. — Gemeinden, welche zur Erhaltung
ihrer Schule unvermögend sind, soll die Staatskasse namentlich zu den Lehrerbesoldungen Zuschüsse
leisten. Ebenso deckt die Staatskasse den jährlichen Bedarf der für Volksschullehrer errichteten
besonderen Pensionskasse, insoweit derselbe nicht durch die Zuschüsse der Gemeinden (3½ péCt. des
Diensteinkommens ihrer ordentlichen Volksschullehrer) aufgebracht wird. — An der Spitze des
Ortsschulwesens steht der die unterste Schulbhörde bildende Schulvorstand, bestehend aus
dem Ortsvorstand (Bürgermeister) dem Schuldirektor bezw. ersten oder alleinigen Lehrer und drei
von der Gemeindevertretung (in Dörfern von der vollen Gemeinde) gewählten Gemeindemitgliedern
als Schulverordneten. Der Geistliche ist Mitglied nur, wenn er dazu gewählt wird. — Dem
Schulvorstand liegt die im Gesetze genau bestimmte Aufsicht über die Ortsschule ob; nur über
den Religionsunterricht steht dieselbe dem Ortsgeistlichen bezw. dem Geistlichen derjenigen Cultus-
gemeinde zu, nach deren Bekenntniß der Religionsunterricht ertheilt wird. — Das Institut des
Ortsschulaufsehers, d. h. eines vom Ortsschulvorstand aus seiner Mitte gewählten Mitgliedes,
welcher den Lehrer bei Ausübung seines Berufes unterstützen, durch öfteren Besuch der Schule
von deren Stand Kenntniß nehmen und den Lehrer auf etwa vorhandene Mängel aufmerksam
machen soll, hat sich nicht als praktisch erwiesen.
Die staatliche Beaufsichtigung und Leitung des Schulwesens im Kreise wird, was die
äußeren Schulangelegenheiten anlangt, von dem Landrathe, außerdem von dem Kreisschulamt
(Landrath und Kreisschulinspektor) bezw. in den größeren Städten von dem Stadtschulamt (Bür-
germeister und Kreisschulinspektor) ausgeübt. Dem Kreisschulinspektor besonders liegt innerhalb
der im Gesetze angegebenen Competenz des Kreisschulamtes die Beaufsichtigung der öffentlichen
Volksschulen und gleichartigen Privatinstitute, Kleinkinder= und Fortbildungsschulen ob, die er na-
mentlich durch Visitationen ausübt. —
Für jede Gemeinde, nach Befinden für mehrere zusammen muß eine Fortbildungs-
schule bestehen, an welcher alle Knaben zwei Jahre lang nach ihrer Entlassung aus der Volks-
schule zu nehmen verpflichtet sind, sofern für deren Fortbildung nicht in anderer Weise
esorgt ist.
gesors Die staatliche Oberaufsicht über das ganze Schulwesen führt das Staatsministerium, Abth.
für Kirchen- und Schulensachen.
III. Finanzverwaltung. In finanztechnischer Hinsicht ist hervorzuheben, daß
die von der Minist.-Abth. der Finanzen geleitete Finanzverwaltung des Herzogthums nach
ihren Objecten in zwei Theile: in die Verwaltung der Landes-Einnahmen und -Aus-
gaben und in die Domänenverwaltung zerfällt. Für beide werden getrennte Rech-
nungen geführt; das Rechnungswesen ist jedoch insofern centralisirt, als für die gesammte
Finanzverwaltung nur Eine Kasse, die Hauptkasse, besteht, welcher sämmtliche Autorisationen
zu Einnahmen und Ausgaben für Landes= und Domänenzwecke zugefertigt werden müssen.
Die wirkliche Vereinnahmung und Verausgabung erfolgt von ihr nur zum geringen Theile
unmittelbar, größtentheils mittelbar durch die Amts= und Untereinnahmen, als ihre Agen-
turen. — Als Buchhalterei für die Hauptkasse fungirt das Rechnungsbureau. Im Spe-
ciellen ist nur zu bemerken, daß die wesentlichsten Landeseinnahmen aus den direkten
und den vom Reiche überwiesenen antheiligen indirekten Steuern, den Gerichtssporteln,
1) Vergl. Meyer im Handb. d. öff. Rechts III. u. #. S. 24.