812. Rechtsverhältnisse des Staates zur Kirche. 61
doppelten Bestimmung des Dom.-Vermögens den beiderseitigen Ansprüchen in gerechter
Weise Rechnung getragen hat.
§ 12. Rechtsverhältnisse des Staates zur Kirche. Dem Staate steht über alle Reli-
gionsgenossenschaften die sich als Oberaussichtsrecht charakterisirende Kirchenhoheit zu. Sie
ist in der Verf. Urk. anerkannt durch die Vorschrift, daß keine kirchliche Verordnung ohne
Vorwissen und Genehmigung des Landesherrn erlassen werden darf und daß keine angeb-
liche Religionsmeinung von den Verbindlichkeiten gegen den Staat entbinden kann, ferner
in der sich nach den bestehenden Verhältnissen nur auf die evangelische Kirche beziehenden
Bestimmung, daß der Staat über die Ausbildung, Berufung und Amtsführung der Geist-
lichen und andern kirchlichen Beamten zu wachen hat, ohne jedoch in das Innere der
Kirche weiter als zu diesem Zweck nöthig ist, einzugreifen.
In der für die evangelische Landes kirche erlassenen Kirchengemeinde= und
Synodalordnung vom 4. Januar 1876 ist ferner angeordnet, daß die Kirchengemeinden
unter der Aufsicht der Kirchenämter als Bezirksaufsichtsbehörden stehen, welche als solche
namentlich die den Kirchengemeinden selbstständig zustehende Verwaltung der kirchl. Ange-
legenheiten in ihren äußeren Beziehungen zu beaufsichtigen und zu fördern haben, wäh-
rend die Beaufsichtigung in der oberen Instanz dem Oberkirchenrath zusteht. Es bedürfen
auch alle Beschlüsse der Landessynoden in Betreff der Gesetzgebung und Verwaltung der
Landeskirche mit Ausnahme der Beschwerden der Genehmigung des Herzogs.
Die Synode besteht aus zwei vom Herzog ernannten und 20 in den vier Kreisen
gewählten Abgeordneten; davon müssen 8 dem geistlichen und 12 dem weltlichen Stande
angehören. Die Zustimmung der Synode ist zu allen Ges. im Gebiete des Kirchenwesens nöthig,
insbesondere bedarf es ihrer Bewilligung zu allgemeinen kirchl. Ausgaben und zur Festsetzung
der hiezu erforderlichen Beiträge der Kirchengemeinden, Pfarreien und kirchl. Stiftungen.
Ohne ihre Zustimmung dürfen Abänderungen allgemeiner kirchlicher Einrichtungen und
Einführung oder Abänderung religiöser Lehrbücher, Gesangbücher und Agenden nicht er-
folgen; es soll aber auch andrerseits keine Gemeinde gegen ihren Willen zur Abänderung
der bisherigen Formen des Gottesdienstes, der Katechismen, Gesangbücher und Agenden
gezwungen werden können. Der in der Synodalordnung enthaltene Grundsatz, daß das
Bekenntniß keinen Gegenstand der kirchlichen Gesetzgebung bildet, erhält die Einschränkung,
daß die freie Forschung in der Schrift und die Fortbildung der Lehre nach deren Ergeb-
nissen nicht beschränkt sein darf.
Aenderungen der Synodalordnung bedürfen außer der Genehmigung des Herzogs
und der Synode auch der Genehmigung der Landesvertretung, wenn sie zu den nach der
Verf.-Urk. der Zustimmung des Landtages bedürfenden Gesetzen gehören, bezw. eine Ab-
änderung der nach der KG. und Synodalordnung ausdrücklich aufrecht erhaltenen Be-
stimmungen der Verf. Urkunde über die Kirchen und milden Stiftungen in sich schließen.
Hinsichtlich des Verhältnisses des Staates zur katholischen Kirche ist voraus-
zuschicken, daß im Herzogthum nur zwei katholische Gemeinden mit eigenen Pfarrern exi-
stiren, und daß, obgleich das Herzogthum ursprünglich der oberrheinischen Kirchenprovinz
zugetheilt war, die Pastorirung dieser beiden Gemeinden schon seit langer Zeit auf Grund
eines von der Mein. Staatsregierung mit dem Bischöfl. Ordinariat zu Würzburg nach
vorgängiger Genehmigung der Königl. Bayrischen Staatsregierung getroffenen Ueberein-
kommens erfolgt. Hienach präsentirt bei eintretender Erledigung einer dieser Pfarrstellen
der Bischöfl. Stuhl zu Würzburg ein mit dem Königl. Bayrischen Tischtitel versehenes
Mitglied seines Klerus dem Mein. Staatsminist. mit der Frage, ob es dem Herzog per-
sona grata sei. Fällt die Erklärung zustimmend aus, so hat sich der ernannte Pfarrer
nach Einholung der bischöfl. Institution bei den herzogl. Behörden als Mein. Unterthan
und Pfarrer zur Ablegung des eidlichen Versprechens der Beobachtung der Mein. Landes-