86 Sonnenkalb, Das Staatsrecht des Herzogthums Sachsen-Altenburg. § 6.
bisherigen verfassungsmäßigen rechtlichen Unterscheidungen der Begriff der Stadt= und Land-
gemeinden ein mehr einheitlicher geworden. Indeß behandelt die Gesetzgebung beide Arten
der Ortsgemeinden mit Rücksicht auf ihre wirthschaftlichen und gesellschaftlichen Unterschiede
und die verschiedene Stellung, welche die Stadtgemeinden durch die überwiegend größere
Zahl ihrer Mitglieder in dem staatlichen Culturleben einnehmen, noch getrennt und hat
insbesondere den letzteren eine größere Summe staatlicher Hoheitsrechte zur Verwaltung
überwiesen.
Eine allgemeine Städteordnung existirt nicht. Die landesherrlich bestätigten Städte-
ordnungen enthalten das städtische Verfassungsrecht, für welches die speziellen landesgesetz-
lichen Bestimmungen als Grundlage zu dienen haben. (Grundges. § 115 f.)
Die Stadtobrigkeit und die Verwaltungs= und Vollzugsbehörde der Stadtgemeinde
ist der Stadtrath. Keiner der Vorsteher des Stadtraths braucht der Rechte kundig zu
sein (Ges. v. 28. Februar 1874). Der Bürgermeister soll auf mindestens sechs Jahre
gewählt werden. Die Wahl aller Mitglieder und Beamten des Stadtraths erfolgt durch
die Gemeindevertreter (Stadtverordneten). Nur die Bestätigung der Wahlen der Vor-
stände der Stadträthe und deren ständiger Stellvertreter hat durch die Aufsichtsbehörde, das
Ministerium des Innern, zu geschehen, soweit nicht in den Stadtordnungen besondere
landesherrliche Bestätigung vorbehalten ist (Ges. v. 16. März 1868).
Für die Vertretung der Gemeinden gilt das Repräsentativsystem durch aus der Mitte
der Bürgerschaft von Ortsbürgern nach bestimmter Wahlordnung gewählte Stadtverordnete.
Ihr Amt ist ein unentgeltliches Ehrenamt. Ihre wesentliche Thätigkeit ist nur eine be-
rathende, kontrolirende und genehmigende und gipfelt in der Kontrole der Verwaltung
und in der Prüfung und Genehmigung aller Anordnungen in Bezug auf Gemeinde-Ver-
mögen, Abgaben und Gerechtsame. Sie werden auf Zeit gewählt und wählen sich ihren
Vorsteher aus sich selbst, oder der übrigen Bürgerschaft, soweit die Stadtordnungen nicht
etwas Anderes bestimmen.
Durch Gesetz vom 16. März 1868 ist die staatliche Oberaufsicht und die daraus
folgende Genehmigung städtischer Verwaltungsakte sehr eingeschränkt worden.
Das Rechnungs= und Kassenwesen unterliegt uur einer allgemeinen Ueberwachung,
ebenso die Regelung der Gehalte, solange nicht normale Verhältnisse verletzt werden. Außer-
ordentliche Aufwände bedürfen nur der Zustimmung, wenn sie die laufenden Einnahmen
übersteigen. Veräußerungen zu Bauzwecken und von Parzellen bis zu 150 Mark Werth und
Prozeßführungen sind genehmigungsfrei.
Dagegen bedürfen Verpfändungen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde, dauernde
und außerordentliche neue Kommunalsteuern der Genehmigung des Gesammtministeriums.
(Ges. v. 14. März 1866.)
Das Recht der Revision und des disciplinären Einschreitens gegen städtische Beamte
als Ausfluß des Oberaufsichtsrechts ist ausdrücklich gesetzlich anerkannt. Der Aufsichtsbe-
hörde steht das Recht der Entfernung der Beamten, vorbehältlich der zuständigen Verwal-
tungs-Rechtsmittel derselben, zu.
c. Die Dorfgemeinden. Der Gemeindebezirk umfaßt alle in der Flur be-
findlichen Liegenschaften. Ausgeschlossen sind nur die Herzoglichen Schlösser in Hummel-
stein und Trockenborn mit Zubehör. Die darin wohnenden Personen, außer den Mitglie-
dern des Herzoglichen Hauses, sind Mitglieder der Flurgemeinde. Selbstständige Fluren,
welche in Ermangelung von Dörfern einen Gemeindebezirk nicht bilden, sind von der Er-
füllung der polizeilichen Verpflichtungen der Gemeinden nicht befreit. Ihre Bewohner
werden durch die Ober-Landesverwaltungsbehörde einer Nachbargemeinde zugewiesen.
Während die Gemeindemitgliedschaft unabhängig von der Staatsangehörigkeit durch
Domicil, Grundbesitz und Gewerbsbetrieb für physische Personen und Korporationen er-