Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

8 6. Die Körper der Selbstverwaltung, besonders die Gemeinden. 87 
worben wird, ist Wahl= und Stimmrecht durch die Staatsangehörigkeit bedingt. Es steht 
allen in der Gemeinde wohnhaften selbstständigen männlichen und weiblichen Gemeinde- 
mitgliedern, welche das 21. Lebensjahr erfüllt haben, Forensern, Bevormundeten und 
Korporationen zu, falls sie zu den Gemeindelasten beitragen und beziehentlich einen Ver- 
treter zur Annahme von Ladungen in der Gemeinde bestellt haben. Korporationen, be- 
vormundete Personen und wahlberechtigte Frauen werden durch ihre gesetzlichen Vertreter, 
bez. durch Bevollmächtigte, vertreten. 
Der Empfang von Armenunterstützung im laufenden oder im letzten Jahre vor der 
Wahl, Konkurs bis zu voller Befriedigung der Gläubiger oder deren Befriedigungs-Er- 
klärung, die Verbüßung von Straf= oder Untersuchungshaft, der zwangsweise Aufenthalt 
in einer öffentlichen Besserungs= oder Arbeitsanstalt, Stehen unter polizeilicher Aufsicht, 
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und einjährige Resthängigkeit der Gemeindeabgaben 
entziehen das Wahl= und Stimmrecht auf die Dauer des Behinderungsgrundes. 
Die Verpflichtung zu persönlichen Leistungen kann in der Regel durch Stellver- 
treter erfüllt werden. Sie kommt bei Reichsbeamten, Hof= Staats-, Kirchen= und Schul- 
dienern ganz in Wegfall, in andern Fällen tritt wie bei auswärts Wohnenden Geldleistung 
an die Stelle. 
Für die Gemeindewahlen zerfallen die stimm= und wahlberechtigten Gemeindemitglieder 
in 3 Abtheilungen, wovon die 1. Abtheilung aus den Höchstbesteuerten bis zum Betrage 
eines Drittheils der gemeindlichen Gesammtsteuer, die 2. Abtheilung aus den Nächstbe- 
steuerten gleichfalls bis zum Betrage eines Drittheils der Gesammtsteuer und die 3. Ab- 
theilung aus dem Reste der Steuerpflichtigen besteht. Jeder Stimm= und Wahlberechtigte 
hat in der Abtheilung eine Stimme. Jede Abtheilung wählt für sich. Zur Gültigkeit 
der Wahl, welche gehörige Vorladung voraussetzt, ist die Anwesenheit von mehr als der 
Hälfte der Berechtigten nothwendig. Falls sich ein zweiter Wahltermin nöthig macht, 
fällt das letztere Erforderniß weg und entscheidet einfache Stimmenmehrheit. 
Die Gemeinde wird in der Regel durch den Gemeinderath vertreten, dessen Mit- 
gliederzahl sich mit 3 theilen lassen muß und in welchen jede Wählerabtheilung eine gleiche 
Anzahl von Mitgliedern aus der Gesammtheit der wählbaren Gemeindemitglieder wählt. 
Die Mitgliederzahl darf nicht über 15 ansteigen. 
Erfordernisse der Wählbarkeit sind außer den Erfordernissen der Stimmberechtigung 
das zurückgelegte 25. Lebenjahr, Wohnsitz in der Gemeinde, mindestens einjährige stimm- 
und wahlberechtigte Gemeindemitgliedschaft, das Recht zur persönlichen Ausübung des 
Stimm= und Wahlrechts und ausreichende Kundigkeit im Schreiben und Rechnen. 
An der Spitze des Gemeinderaths steht der Gemeindevorsteher, dem als Stellvertreter 
und zur Unterstützung ein Gemeindeältester und ein Beisitzer beigegeben sind. Sie werden 
vom Gemeinderathe aus der Zahl seiner Mitglieder gewählt. Zwei von ihnen müssen 
mindestens mit einem Hause im Gemeindebezirke angesessen sein. 
Ueber Ablehnung der Annahme eines Gemeindeamts entscheidet der Gemeinderath, 
eventuell die Aufsichtsbehörde. 
Die Wahl geschieht auf 6 Jahre. Alle 2 Jahre scheidet ein Drittheil aus. 
Für den Fall der Berhinderung von Mitgliedern können und beziehentlich müssen 
Ersatzmänner, welche in vom Gemeinderathe zu bestimmender Anzahl gewählt werden, 
einberufen werden. 
Die Entlassung aus dem Gemeinderathe erfolgt durch die Aufsichtsbehörde beim 
Verlust des Stimm= und Wahlrechts, erwiesener Dienstunfähigkeit, Aberkennung der bür- 
gerlichen Ehrenrechte oder der Befähigung zur Bekleidung öffentlicher Aemter, sowie aus 
andern die Dienstführung sehr erschwerenden oder vereitelnden Ursachen. Auch hat bei Un- 
tersuchungen, welche die Entziehung der bürgerlichen Ehrenrechte oder der Befähigung zur
	        
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