§. 38. Herzog Johann Friedrich. Der Anfang des dreißigjährigen Kriegs. 115
schichte geübt. Bei seinem Regierungsantritt athmete alles wieder auf; man
hoffte bessere Zeiten. Bald aber sah man, wie er durch glänzende Hofhaltung
die vom Vater angetretenen Schulden noch vermehrte. Er stellte Jäger und Mu-
sikanten am Hof und viele überflüssige Beamte auf den Kanzleien an; auch er
beschäftigte sich viel mit den Alchymisten. So kam es, daß er innerhalb vier Jahren
eine Million Schulden gemacht hatte, ohne daß er, wie seln Vater gethan, einen
Theil des Geldes auf Ankauf von Land verwendet hätte. Trotzdem war das Ein-
vernehmen zwischen ihm und dem Lande ein ganz gutes. Die Landstände baten
ihn vor allen Dingen, „die leldige Erläuterung des Tübinger Vertrags vom vo-
rigen Jahre wieder abzuschaffen und die alten Rechte und Freiheiten wieder ein-
zusetzen.“ Am 4. April 1608 wurde der Landtag einberufen; sogleich bests-
tigte der Herzog den ganzen Tübinger Vertrag nach seinem frü-
heren Inhalt und zum Dank dafür übernahm die Landschaft
440,000 fl. herzogliche Schulden. Das ganze Land war mit diesem Ab-
schluß wohl zufrieden. Noch mehr aber erwarb sich der Herzog des Volkes Dank
durch die Untersuchung gegen Matthäus Enslin, den schlimmen, betrüge-
rischen Rathgeber Herzog Friedrichs. Johann Friedrich hatte gleich beim Antritt
der Regierung die von seinem Vater entfernten Räthe und Diener wieder einge-
setzt und dagegen die seitherigen entlassen. Kanzler wurde Christoph von
Engelshofen, Vicekanzler Dr. Sebastian Faberz; auch der alte und
getreue Geheimerath Melchior Jäger, dessen Wahlspruch war: „Gelitten
und gestritten!“, bekam seine Stelle wieder. Bald nach diesem Beamtenwechsel
begann die Anklage gegen Enslin wegen Betrugs, Annahme von Geschenken,
Urkundenfälschung und Mißbrauchs seines Amtes zu vielen ungerechten, eigen-
mächiigen und gewaltthätigen Handlungen. Nicht verschwiegen darf blelben, daß
in manchen Stücken bei dem peinlichen Verfahren gegen Enslin Rache der seither
unterdrückten Partei mitspielte. Er mußte seine Verbrechen fußfällig abbitten,
den dem Lande zugefügten Schaden ersetzen (119,946 fl.), die Untersuchungs-
kosten bezahlen u. s. w. Dann wurde er zu lebenslänglichem Gefängniß auf
Hohenneuffen abgeführt, später nach Hohenurach. Hier bestach er den
Kommandanten und 2 Soldaten, um mit den Seinigen schrlftlich verkehren zu
können. Kurz darauf traten seine Frau und seine Söhne vor den Herzog mit der.
Drohung, daß sie, wenn Enslin nicht in Freiheit gesetzt werde, Staatsgeheim-
nisse verrathen werden. Sogleich begann eine zweite, schärfere Untersuchung.
Der Kommandant (Hans Schweizer) und einer der Soldaten wurden unter den
Augen Enslins enthauptet. Dieser wurde zum zweiten Mal und zwar desmal
zum Tod durch das Schwert verurtheilt. Sein Haupt fiel am 22. Novbr. 1613
auf dem Marktplatz zu Urach. Besser ergieng es seinen früheren Genossen. Sein
Bruder wurde des Amtes entlassen; Eßlinger, dessen sich das Reichskammerge-
richt in Speyer annahm, wurde aus dem Lande verwiesen.
Trotz des guten Einvernehmens zwischen Fürst und Volk wollte doch diesem
das viele Steuerzahlen nicht wohl gefallen. Der Herzog verstand sich viel besser
auf die Nachglebigkeit der Landschaft gegenüber, als auf das Sparen. So kam
es, daß in manchen Sitzungen die Stände jeden Tag mit neuen Verwilligungen
an die herzogliche Kasse zu beschließen hatten. Seine Hochzelt mit Barbara
Sophie, der Tochter des Kurfürsten Joachim Friedrich zu Brandenburg, hatte
der Herzog mit einem Glanz gefeiert, wie er bisher noch nie erlebt worden war.
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