Full text: Die Geschichte Württembergs.

KP. 41. Allgemeiner Ueberblick. 131 
Verstand, durch Kühnheit und Entschlossenheit geleistet hatte, suchte Mazarin 
mit ungemeiner Geschäftsgewandtheit, feiner Schmiegsamkeit und italischer 
Schlauheit durchzuführen. 
In Deutschland regierte Leopold I. (1657—1705), dessen Wahl 
zum Kaiser trotz der Intriguen Ludwigs XIV. durchgesetzt wurde. Dieser hatte 
durch Bestechung der Pfalz, Bayerns und der Erzbischöfe von Köln und 
Mainz die deutsche Krone zu erhalten gehofft. Aber Sachsen und Branden- 
burg wlderstanden. Leopold, das Muster eines schwachen, unselbständigen und 
untüchtigen Fürsten, mußte schon bel seiner Wahl den Kurfürsten bedeutende 
Rechte einräumen, und dies später noch mehr, als die Türken und die re- 
bellischen Ungarn ihn beschäftigten. Während unter seiner beinahe fünfzig- 
jährigen Regierung die Gestalt und Macht eines deutschen Kaisers zum Schat- 
ten wurden, stiegen das Ansehen und die Bedeutung der Reichsfürsten 
immer höher und ihre Gewalt glich der königlichen. Nach den Beschlüssen 
des westfälischen Friedens standen sie selbständig gegenüber von Kaiser und 
Reich, unumschränkt über Volk und Landstände. Ferdinand III. hatte den 
Fürsten (1653) das Recht ertheilt, ihren Unterthanen so viele Steuern auf- 
zulegen, als die pflichtmäßige Mitwirkung zur Reichsvertheidigung erheische. 
Leopold mußte bei der Wahl schwören, nichts als Kaiser zu verfügen, ohne 
die Zustimmung der Kurfürsten, sich in den französisch-spanischen Krieg nicht 
zu mischen und den Feinden Frankreichs keinen Vorschub zu leisten. Dies 
hatte Frankreich den von ihm bestochenen deutschen Reichsfürsten zu verdan- 
ken 1). Der Kaiser selbst hatte wohl keine Ahnung von den Folgen, die 
aus dleser Wahlkapitulation entspringen konnten; auch war er der schlauen 
Politik des französischen Kabinets nicht gewachsen. Dieses rückte nun aus 
Rache an Leopold mit der Gründung eines Bundes vor. Ludwig schloß mit 
den Kurfürsten von Mainz und Köln, dem Bischof von Münster, dem Her- 
zog von Württemberg und anderen die niederrheinische Allianz, 
das traurige Vorspiel aller künftigen Verbindungen deut- 
scher Fürsten mit Frankreich gegen Deutschland (1657), angeblich 
„zur Aufrechterhaltung des westfälischen Friedens“, d. h., ins Deutsche über- 
setzt, „zur Eroberung Westdeutschlands mit Hilfe deutscher Reichsstände.“ Der 
Kaiser aber konnte nicht gegen sie einschreiten; vielmehr setzten sie es im Jahr 
1670 durch 2), daß von allen Verträgen und Bündnissen, die 
geschlossen werden, die Last auf die Unterthanen dürfe ge- 
legt, daß von diesen alles, was man von ihnen begehre, „ ge- 
horsamlich und unweigerlich“ solle entrichtet, daß keine alten 
Freiheiten dawider sollen geltend gemacht, keine Beschwerden 
dagegen an den Reichsgerichten sollen gehört werden. 
Wie jeder deutsche Fürst nach außen frei und selbständig verfügen konnte, 
so konnte er auch im eigenen Lande nach Belieben schalten und walten. Lud- 
wig XIV. hatte ein schlimmes Beispiel gegeben; Mazarin hatte von ihm, als 
1) So erhielt z. B. Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz von Ludwig XIV. 
110,000 Thaler. 
2) Dieses Dekret erhielt zwar nie die Sanktion des Kaisere aber die Reichs- 
stände kümmerten sich darum nichts, sondern führten es in der despotischsten Weise durch. 
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