Full text: Die Geschichte Württembergs.

146 III. Württemberg als Herzogtbum. 
Dörfer Höpfigheim und Gomaringen geschenkt und einen Jahresgehalt von 
10000 fl. ausgesetzt. 
So offene Doppelehe konnte jedoch von Kaiser und Reich nicht geduldet 
werden. Die Herzogin und ihre Verwandien setzten alles daran, um den Kaiser 
zu einem entschiedenen Schritt zu bewegen. Im Jahr 1710 befahl dieser die 
Trennung der Grävenitz vom Herzog 1). Die Verbannte zog in die Schweiz; der 
Herzog söhnte sich mit seiner Gemahlin aus. Die Stände gaben ihm aus Freude 
ein Geschenk von 40000 fl., der Herzogin 10000 fl. 
Die Freude sollte aber nicht lange dauern. Der Herzog war zu sehr an 
seine Grävenitz gekettet, als daß er sie hätte missen können 2). Darum eilte er 
ihr nach kurzer Zeit nach und lebte mit ihr in Genf herrlich und in Freuden. 
Ein Schrei des Entsetzens lief durch das ganze Land. Der Herzog aber hatte 
bald eine leere Kasse und eine Geldverwilligung seitens der Landstände war nicht 
zu hoffen. Darum mußte er wieder zurückkehren. Und doch wollte er seine 
Geliebte nicht zurücklassen. Was thun? In Wien wurde ein alter, verschuldeter 
böhmischer Graf von Würben aufgetrieben, der sich herbeiließ, eine Schein- 
heirat mit der Grävenitz abzuschließen. Er mußte sich verpflichten, die Ehe als 
nicht vollzogen anzusehen und sich im Auslande aufzuhalten. Dafür erhielt 
er ein Geschenk von 20000 fl., einen Jahresgehalt von 10000 fl. und den 
Titel eines herzoglichen Landhofmeisters, Geheimenraths und Krlegsraths-Prä- 
sidenten. 
Damit beginnt eine Zeit von 20 Jahren voll der tiefsten 
Schmach und Erniedrigung unseres württembergischen Vater- 
landes, das, regiert von einem verächtlichen, schamlosen Weibe, 
dem Abgrunde des Verderbens entgegenge führt wurde. — Die 
Grävenitz erschien nun als Gräfin von Würben und erhielt als Landhof- 
meisterin den ersten Rang unter den Hofdamen, den Titel „Ercellenz“, einen 
eigenen Hofstaat und den neuen Bau zur Wohnung. Wohl wandte sich die 
Herzogin aufs neue an den Kaiser; aber dieser gab den Bescheid, „er könne keinem 
Reichsfürsten wehren, die Gemahlin seines ersten Ministers an seinem Hofe 
zu dulden.“ Die Herzogin beweinte im Schloß zu Stuttgart ihr Unglück 
und Elend. 
Die Landhofmeisterin begnügte sich aber nicht mit den ihr zugetheilten 
Geldern und Geschenken. Sie wollte regieren. Darum wurden zunächst alle 
wichtigen Stellen von Männern besetzt, die sich zu lhren Werkzeugen hergaben. 
An der Spitze stand als erster Minister und Hofmarschall ihr Bruder Friedrich 
Wilhelm von Grävenitz; ihre Schwäger Boldewein und Sittmann 
waren der erste Präsident des Kriegsraths, der andere Geheimerath u. s. f. Die 
1) „Es solle sich die Grävenitz anderwärts weit vom Herzogthum Württemberg 
hinweg begeben und reversiren, künftighin weder in ledigem noch verheiratetem Stande, 
nicht nur des Herzogs Gebiet nicht wieder zu betreten, sondern auch die Nachbarschaft 
zu meiden und sich alles Verkehrs mit demselben zu enthalten, sonst werde man mit der 
Strenge der Gesetze gegen sie verfahren und weder ihre Ehre, noch Leib und Güter 
verschonen.“ 24. Jan. 1710. 
2) Man sprach von Zaubermitteln, durch welche sie den Herzog dahin gebracht 
habe, daß er seine Gemahlin durchaus nicht ausstehen, ohne sie selbst aber nicht mehr 
kürfe leben können, indem er Beklemmungen bekommen, sobald er von ihr entfernt ge- 
wesen.
	        
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