8. 45. Herzog Karl Alexander. Die Wirtbschaft des Juden Süß Oppenbeimer. 153
Zu dieser Zeit war für unser Land schon eine neue Noth gekommen.
Den dreißigjährigen Krieg hatten die Raubzüge Ludwigs XIV., diese wieder die
großen Opfer Württembergs für das Haus Oesterreich während des spanischen
Erbfolgekriegs abgelöst. Was übrig geblieben war, wurde durch das Gräve-
nitz'sche Regiment aufgezehrt. Wer jetzt unfrem Lande noch mehr Blut abzapfen
wollte, mußte viel Scharfsinn, List und Gewalt gebrauchen. Aber er war zu
finden gewesen, dieser Blutegel, in der Person des Juden Joseph Süß
Oppenheimer. Was die Weiberherrschaft noch von Geld und
Gut, von Glauben und guter Sitte, von Vertrauen des Volkes
zum Fürsten übrig gelassen hatte, sollte eine greuliche Juden-
wirthschaft vollends rauben. Kein Eigenthum wurde geschont,
kein Recht geachtet; das Heiligste wurde durch den Koth ge-
zogen, die Ehre und Unschuld verletzt; und das alles um des
Geldes willen!
Joseph Süß Oppenheimer, vom Volke „Jud Süß" genannt, war
im Jahr 1692 zu Heidelberg geboren. Karl Alerander lernte ihn in Frankfurt
kennen, wo ihm der Jude aus seinen Geldverlegenheiten half. Kaum war der
Herzog zur Regierung gekommen, als er ihn sogleich ins Land berief und zum
„Kabinetsfaktor“ machte. Süß begriff schnell die Wichtigkeit seiner Stellung,
aber nur, um sie zur eigenen Bereicherung auszubeuten. Er verstand den Her-
zog so zu umgarnen, daß die ehrlichsten Staatsdiener auf die Seite gedrängt
wurden und niemand den Weg zum Herzog finden konnte, ohne durch Süß.
Dieser schilderte dem Herzog die alten Räthe „als untreu und ohne Fähigkeiten,
Diffikultätenmacher und Schikaneure.“ Auch Billfinger wurde auf die Seite
geschoben, doch nicht entlassen 1).
Der Herzog war zwar ein großer Kriegsheld, aber zum Regieren nicht ge-
schaffen. Er konnte auf eine ruhmvolle Laufbahn zurücksehen und war blinden
Gehorsam gewöhnt. Darum wurde es ihm schwer, sich durch Rechte des Volkes
und frühere Verträge einschränken zu lassen und sich mit den ihm unbedeutend
scheinenden Regierungsangelegenheiten abzugeben. Viel bequemer und seiner
Würde entsprechender hielt er es, alle Geschäfte seinen Räthen zu übergeben,
als welche ihm diejenigen am geeignetsten schienen, die sich ihm ohne Widerrede
fügten und viel Geld zu schaffen verstanden. Daraus erklärt sich, wie frech Jud
Süß und seine Spießgesellen die gröbsten Gewaltthätigkeiten und elendesten Nic-
derträchtigkeiten verüben durften.
Die erste Probe seiner Erfindungsgabe und Habsucht gab Süß in der
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1) Des Juden Gehilfen und Rathgebern war es bange vor der Verantwortung,
die sie nach des Herzogs Tod treffen würde. Deßhalb fordekten sie Süß aus, einen
Mann zu suchen, der sie in diesem Falle schützen könnte, und schlugen ihm dazu Bil-
finger vor. „Bilfinger!“ erwiderte er, „pfui! der hat ja Verstand, mehr als wir alle!“
Damit war der Vorschlag verworfen. Als Süß später bei dem Herzog auf Bilfingers
Entlassung antrug, bekam er zur Antwort: „Wenn wir diesen Mann entließen, er würde
von Fürsten und Königen gesucht und wir wären prostituirt!“ So blieb Bilfinger in
seinem Amt; dieses wurde ihm aber so sehr entleidet, daß ihm seine Freunde riethen,
seine Entlassung zu nehmen. Er that es nicht, obgleich er nach seiner eigenen Aeußerung
so stand, daß er sich in jeder Sitzung darauf gefaßt machte, aus dem Geheimenrath auf
die Festung geführt zu werden. „Wirds denn hernach besser, wenn ich gehe?" — Damit
webrie er jede Vorstellung seiner Freunde ab.