5. 49. Rückblick. Fortsetzung. Kirche und Schule, Wissenschaften und Künste. 175
Ludwigsburg wurde von Dörtenbach und Zahn in Calw eine Porzellanfa-
brik angelegt. Die Sache schlug aber fehl. Erst als der Herzog sie übernahm,
kam sie ins Gedeihen und konnte mit den besten Fabriken wetteifern; doch erfor-
derte sie jedes Jahr noch Zuschuß. Die Seldenindustrie wollte auch nicht
Zgelingen. Dagegen standen viele andere Industriezweige in höchstem Flor, so die
Leinwandspinnerei und Weberei in Heidenheim und Urach, die Papier-
fabrikation, die Calwer Zeughandlungs= und Färberhandlungs-
gesellschaft (Mayer, Schill und Komp.), welche 9000 Personen beschäftigte
und jährlich für 400,000 fl. Waren verschloß, die Tuch= und Zeugmachereit
in Göppingen, Backnang, Tübingen, Weilheim, Urach, Kirchheim, Ebingen, Ba-
lingen, Neuffen, Freudenstadt; die Lederfabrikatton in Backnang und Calw,
die Töpferei in Heidenheim. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
wurde ein starker Handelsverkehr getrieben. Ausgeführt wurden haupt-
sächlich: Holz, Pferde, Rindvieh, Schafe, Wolle, Leinwand, Seiden= und Wollen-
waren, Eisen, Leder, Felle, Obst, Getreide, Uhren, Spiegel, Papier; einge-
führt wurden: Kaffee, Zucker, Gewürze, fremde Weine, Tabak, Messing, Apo-
thekerwaren u. s. w. Der Werth der Ausfuhr betrug 3, der der Einfuhr 2 Mil-
lionen Gulden.
Mit dem Münzwesen stand es immer noch schlimm. Es zirkulirte eine
Menge Münzen, welche den nöthigen Silberwerth nicht hatten. Die Sechser
galten 4½2 —5½, die Groschen 2½, die Fünfzehner 12 Kreuzer. Der Herzog
mußte auf dem Wege der Erekution durch kaiserliche Verordnung angehalten
werden, allen hiedurch entstandenen Schaden zu ersetzen.
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Rückblick. Fortsetzung. Kirche Fend Schule, Wissenschaften und Künste.
Die kirchliche Lehre hatte ihre reiche Ausbildung gefunden und in der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine Scholastik hervorgerufen, welche der
des Mittelalters um nichts nachstand. Ueber dem Buchstaben wurde der Geist,
über der Wissenschaft das Leben vergessen; doch war auch jene Zeit der Ortho-
doxie nicht jeden geistlichen Lebens bar. Ihrer Einseitigkeit und Entartung aber
trat im Pietismus eine Opposition entgegen, durch Philipp Jakob Spe-
ner und August Hermann Franke. Diese neue Bewegung war von großem
und nachhaltigem Einfluß auf Württemberg. Die Reglerung, das Konfi-
storium und die Universität kamen der Spener'schen Richtung mit Kraft und
Wille entgegen. Was damals die württembergische Kirche bewegte, wurde mit
Spener verhandelt, der früher Privatdocent in Tübingen gewesen war und sich
nicht dort hatte halten lassen. Als erste Frucht seines Einflusses auf Württem-
berg ist die Einführung der Kinderlehren zu nennen. Im Jahr 1696 wurde
von dem Prälaten Zeller in Bebenhausen und dem Professor Schellenbauer in
Stuttgart „die Kinderlehre“ herausgegeben; 1702 erschien ein Spruchbuch.
Dle häuslichen Erbauungsstunden konnten keinen rechten Eingang finden, weil
die seitherigen durch Separatisten und Anhänger Böhmes in Verdacht gekommen
waren und einige Geistliche sich diesen zugeneigt hatten. Gegen solche, sowie gegen
einige Schüler Speners erschien das Edikt vom 28. Februar 1694, in
welchem in 12 Punkten den Studirenden, sowie allen Kirchen= und Schuldienern