Full text: Die Geschichte Württembergs.

8. 55. König Wilhelm. Fortsetzung. 221 
schlüsse vom 28. Juni 1832, nach welchen die Ständeversammlungen, die 
Presse und politische Vereine durch eine eigene Bundeskommission überwacht 
werden sollten. In der zweiten Kammer stellte Pfizer hierauf den Antrag, 
man habe der Regierung gegenüber darauf zu bestehen, daß sie die Beitrittser- 
klärung ihres Bundestagsgesandten zu den 6 Artikeln jener Bundesbeschlüsse, wo“ 
nicht förmlich zurücknehme, so doch diese Artikel in einer die württembergische 
Verfassung sicherstellenden Weise modifieire oder erläutere. Dagegen verlangte 
die Regierung, daß die Kammer diesen Antrag „mit Unwillen“ verwerfe; und 
als dies nicht geschah, löste sie dieselbe auf. In die neue Kammer wurden jedoch 
die melsten und angesehensten Häupter der Opposition, voran der Dichter Uhland, 
wieder gewählt. Im Jahre 1836 wurde die erste Kammer bewogen, das Erpro- 
priationsgesetz, die Ablösung der Frohnen und Leibeigenschaftslasten anzunehmen. 
Neben allen diesen Verhandlungen mit dem Bundestag und den Landstän- 
den versäumte König Wilhelm nicht, an den Werken des Friedens weiter 
zu bauen, in welch' edlem Streben er durch seine dritte Gemahlin Pauline, 
die Tochter der unermüdlichen Wohlthäterin Herzogin Henriette von Württem- 
berg, treu unterstützt wurde. Sie hat nicht bloß die von Königin Katharina ge- 
gründeten Anstalten in ihre Pflege genommen, sondern noch neue gestiftet und an 
Armen und Nothleidenden bis an ihr Ende (10. März 1873), namentlich im 
stillen, viel Gutes gethan. — Nachdem der König schon vor der Einrichtung der 
Verfassung Anstalten und Vereine zur Förderung der Landwirthschaft 
gegründet hatte, wandte er jetzt seine Aufmerksamkeit auf die Hebung von Ge- 
werbe und Handel. Der Wilhelmskanal bei Heilbronn wurde gegraben 
(1821), die Dampfschiffahrt auf dem Bodensee (1824) und Neckar (1841) er- 
öffnet, der Eisenbahnbau begonnen (1843), die Centralstelle für Gewerbe und 
Handel errichtet (1848) und die Gewerbefreiheit als Gesetz verkündigt (1862). 
Auch das Schulwesen erfreute sich der Pflege des Königs. Die Real- 
schule wurde 1818, die Thierarzneischule 1821, das Polytechnikum 1832 ge- 
gründet und 1840 erweitert; im Jahr 1845 wurde die Baugewerkschule in 
Stuttgart errichtet; landwirthschaftliche und gewerbliche Fortbildungsschulen wur- 
den eingeführt. 1825 wurde das katholische Schullehrerseminar in Gmünd, 
1843 das zweite evangelische in Nürtingen gegründet. Zur Pflege der bilden- 
den Künste wurden die Kunstschule und das Kunstgebäude errichtet. 
Durch die Gesetze von 1828 und 1864 wurde den Israeliten das 
volle Staatsbürgerrecht zutheil; die israelitische Kirche wurde zum Range einer 
vom Staat anerkannten Kirche erhoben und das Kirchen= und Schulwesen zweck- 
dienlich geordnet. 
So griff König Wilhelm in alle Verhältnisse des Staatswesens mit Weis- 
heit und Mäßigung ordnend und lenkend ein und verdiente damit die volle Liebe 
und Verehrung seines Volkes, wie sie sich bei dem Jubelfest seiner fünfund- 
zwanzigjährigen Reglerung zeigte (28. Sept. 1841). In unabsehbaren Zügen 
strömten viele Tausende in den verschiedensten Landestrachten zum Schloßhof, wo 
der König die Huldigungen seines getreuen Volkes entgegennahm und, dankbar 
gerührt durch die Liebe seines Volkes, unter ungeheurem Jubel durch die Menge 
seiner Unterthanen schritt. Die Landstände hatten dem König zu dieser Feier 
die Jubiläumssäule auf dem Schloßplatze zu Stuttgart errichtet. 
Das folgende Jahrzehnt war für Fürst und Volk eine Zeit schwerer Noth
	        
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