54 II. Württemberg als Grafschaft.
genannt 1), der ein sehr tüchtiger Gelehrter war, aber überall von den Vormund-
schaftsräthen eingeschränkt wurde. Der junge Graf sollte nur deutsch lesen und
schreiben lernen, welter gar nichts. So verfiel er denn auf allen Muthwillen,
verachtete die Ermahnungen seiner Mutter und seines Lehrers und verbrachte
seine Zeit mit Jagen, Reiten, Tanzen, Spielen, Saufgelagen und andern Aus-
1468.
1477.
schwelfungen und es ließ sich klar voraussehen, daß bei solchem Leben in Saus
und Braus das väterliche Erbe bald verbraucht sein werde. Auf Anstiften der
Vormundschaftsräthe hatte er das Recht der Selbstregierung von seinem Ohelm
Ulrich erzwungen und nun glaubten jene an das Ruder zu kommen. Sie täuschten
sich aber ganz gewaltig. Das erste, was Eberhard that, war, daß er alle alten
Räthe entließ, auch der treue Hofmeister Vergen mußte weichen; er übernahm
die Stelle eines Klrchherrn in Brackenheim. Junge Männer wurden als Räthe
an den Hof gezogen, mit denen Eberhard in wilder Ausgelassenheit lebte. Die
liebevollen Ermahnungen und Warnungen der treu besorgten Mutter Mechthild
waren in den Wind geredet; es häuften sich Steuern auf Steuern, Schulden
auf Schulden.
Da auf einmal gieng Eberhard in sich; er hatte die sinnlichen Freuden
genug genossen, und sie hatten ihren Reiz für ihn verloren. Wohl mochte er
dabei die Werthlosigkeit eines Lebens einsehen, das nur im fortgesetzten Genuß
äußerer Vergnügungen und in der Befriedigung fleischlicher Lüste bestehe. Eber-
hard wurde ein ganz anderer Mann und machte sich von seiner leichtsinnigen
Umgebung los. Er faßte den festen Entschluß, ein Gott wohlgefälliges Leben zu
führen und dieses fortan dem Wohl seines Landes zu weihen. Nach der damali-
gen religtösen Anschauungsweise unternahm er eine Pilgerfahrt in das heillge
Land. Ucber den Gräbern seines Vaters und seines Bruders in der Karthause
zu Güterstein empfieng er den Segen zu dleser Reise von dem ehrwürdigen
Johann von Udenheim, Abt des Klosters Herrenalb: Mit dem Wahlspruch
„Attempto“ Oich wage es“) trat er die Fahrt an, nachdem er zuvor die
Verwaltung des Landes bewährten Männern übertragen hatte, unter denen sich
namentlich der sehr tüchtige Georg von Ehingen auszeichnete (1468). Am
helligen Grabe empfieng Eberhard den Ritterschlag. Nach sechsmonatlicher Ab-
wesenheit kehrte er wieder in sein Land zurück, wo er mit großem Jubel em-
pfangen wurde. Sein Sinnbild war von da an die Palme Judäas, um die sich
ein Band mit der Inschrift „Attempto“ schlingt. Auf der Reise hatte er sich
den Bart wachsen lassen, den er von nun an trug, woher er den Beinamen „im
Bart“ erhielt. — In seinem edlen Streben, ein Vater seines Landes zu sein,
wurde er noch unterstützt durch seine treffliche Gemahlin, Barbara von Man-
tua, welche er ihm Jahr 1474 heimführte. Zunächst suchte Eberhard die
Klöster seines Landes zu reformiren und die Chorherrenstifte
zu verbessern. Doch sah er von seiner vielen Mühe und Sorge wenig Frucht.
Viel glücklicher war er in dem segensreichsten Werke, das er gestiftet hat: in
der Gründungder Universität Tübingen (1477). Er wollte dadurch „einen
Brunnen des Lebens graben, daraus von allen Enden der Welt geschöpft möge
werden tröstliche und heilsame Weisheit, zur Erlöschung des verderblichèn Feuers
1) Nach der damaligen Sitte übersetzte er seinen deutschen Namen in den griechischen
„Nauclerus“. ·