Full text: Die Geschichte Württembergs.

8. 28. Herzog Ulrich. Fortsetzung. Der Baueruaufruhr. Der Tübinger Vertrag ꝛc. 71 
vorher eine Gesellschaft gebildet, die aus lauter mittellosen Leuten bestand 1), und 
sich den „armen Konrad"“ 2) nannte. Nun wehte von Elsaß noch ein Wind 
der Freiheit herüber; dort hatten sich aufrührerische Bauern unter dem Namen 
„Bundschuh" empört. Als deßhalb die herzogliche Verordnung über das 
neue Maß und Gewicht erschien und die Landesabgeordneten zur Beistimmung 
gezwungen wurden, waren die Remsthäler nicht länger mehr zu halten 3). Das 
Feuer loderte in hellen Flammen auf und bald hatten sich 2000 Mann gesam- 
melt. Diese zogen vor Schorndorf und verlangten Einlaß. Durch des Bürger- 
meisters Klugheit wurde jedoch Unheil abgewendet. Ulrich, der gerade in Hessen 
auf Besuch war, kam schnell zurück und ritt nach Schorndorf hinüber, um die 
Aufrührer zu beschwichtigen. Aber es wollte nicht gelingen. Sie versammelten 
sich (Mai 1514) in Untertürkheim, und nun verbreitete sich der Aufruhr durch 
das ganze Land. Es war nicht mehr die Unzufrledenheit über das neue Maß- 
gesetz, sondern der Aufruhr drohte zu einem gewaltigen Kampf zwischen Arm 
und Reich, zwischen Dorf und Stadt und schließlich zwischen Volk und Reglerung 
zu werden, die sich durch unkluge und harte Maßregeln überall Feinde ge- 
schaffen hatte. Zwar hielten manche Städte zum Herzog; namentlich Stutt- 
gart und Tübingen suchten zwischen beiden Theilen zu vermitteln, doch ohne 
Erfolg. Die Bauern verlangten hartnäcklg, weil sie wie jeder andere Stand 
Steuern zahlen müßten, bei den Berathungen des Landtags auch eine genü- 
gende Vertretung 1). So wurde denn endlich wieder ein Landtag — nach 
11 Jahren der erste — nach Stuttgart einberufen, an den die Bauern 
ihre Klagen schriftlich einreichen sollten (20. Juni 1514). Dabel erschtenen 
die Prälaten, die Stadt-, Gerichts= und Landvögte. Die Vertreter der Rit- 
terschaft waren nicht eingeladen worden. Zunächst giengen die Beschwerden 
gegen die herzoglichen Räthe, denen darüber ziemlich schwül zu Muthe wurde. 
Als besonders die Vertreter Stuttgarts nachdrücklich auf Abstellung der Be- 
schwerdepunkte 5) drangen, verließ der Herzog im Zorn den Landtag und ritt mit sei- 
nen Räthen nach Tübingen hinüber, wohin ihm bald die Prälaten uud Stadtabge- 
ordneten, sowie die vom Kaiser und einigen Reichsständen gesandten Vermittler 
folgten. Die Vertreter der Aemter blieben zurück 6). Nachdem der Landtag 
1) In bitterem Scherz sprachen sie von ihren Gütern in der Fehlhalde, am 
Hungerberg, in Nirgendsheim am, Bettelrain. 
2) Sie wußten „keinen Rath“ mehr. 
3) Der lustige „Geißpeter“ von Beutelsbach wollte durch eine Wasserprobe Recht 
oder Unrecht in der neuen Anordnung entscheiden lassen. Darum gieng er unter Be- 
gleitung vieler Bauern an die Rems und warf die neuen Gewichte ins Wasser mit den 
Worten: „Haben die Bauern Recht, so fall zu Boden; hat der Herzog Recht, so schwimm 
oben!“ Natürlich hatten die Bauern Recht. 
4) Die Bauern erklärten: „Man landtaget nur Schatzungen; nicht nur Edellente, 
Hüafen und Herren aus den Städten müssen auf dem Landtag sein, sondern auch 
auern.“ 
5) Einer dieser Punkte heißt: „Man möge am Hofe zu Stuttgart abthun Zu- 
trinken, Gotteslästerung, Ehebrecherei und andere, die öffentlich zu den Unehren sitzen, 
das dann groß Aergerniß gebe denen frommen Personen, denn sie solches ohne Furcht, 
Scham und Straf thun wollen und bisher gethan haben“. Der Herzog konnte nichts 
dagegen einwenden. 
6) Die Aemter hatten besonders von den Forstbeamten viel zu leiden und fanden 
für ihre Beschwerden kein williges Gehör. Zudem fühlten sie sich für Aufbringung der
	        
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